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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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abgetretenes Stück Teppich zeigte eine Fülle von Rosen und Lilien, und gewirkte Vorhänge verhüllten den Blick auf die Brigsome Terrace. Neben den Fenstern hingen Drahtkörbe, in denen eine stachlige und spinnenartige Fülle von Kakteen wuchs.
    Oliphant bemerkte einen Gestank, der noch durchdringender war als der Karbidgeruch.
    Betteredge kam aus dem rückwärtigen Teil der Wohnung. Er trug eine Melone, die ihm einen amerikanischen Anstrich verlieh; leicht hätte man ihn für einen der Pinkerton-Agenten halten können, die er täglich beschattete. Wahrscheinlich war der Effekt vorsätzlich herbeigeführt, bis hinunter zu den Patentstiefeln mit seitlichen Einsätzen aus Elastikband. Sein Gesichtsausdruck war, ganz uncharakteristisch, von erns ter Sorge geprägt. »Ich übernehme die volle Verantwortung, Sir«, murmelte er. Etwas musste schiefgegangen sein. »Mr. Fraser erwartet Sie, Sir. Nichts ist verändert worden.«
    Oliphant ließ sich hinaus- und eine enge, steile Treppe hinaufführen. Sie kamen in einen öden Korridor, der von einer zweiten Karbidlampe erhellt wurde. Große Salpeterausblühungen verunzierten den nackten Verputz der Wände. Der verbrannte Geruch war hier noch stärker. Durch eine weitere Tür ging es in noch grelleres Licht, und Frasers verdrießliches Gesicht blickte von der Stelle auf, wo er neben einem hingestreckten Körper kniete. Fraser schien im Begriff, etwas zu sagen; Oliphant winkte ab.
    Hier also war der Ursprung des Gestanks. Auf einem altmo dischen Kutschkasten stand ein kompakter moderner Primuskocher, dessen Spirituskanister aus Messing wie ein Spiegel glänzte. Auf dem Ring des Kochers stand eine kleine Pfanne aus schwarzem Gusseisen. Was immer hier gebraten worden war, war jetzt nur noch ein verkohlter und übel riechender Resthaufen.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den Leichnam. Der Mann war ein Riese gewesen; in dem kleinen Raum war es notwendig, über seine ausgebreiteten Gliedmaßen zu steigen. Oliphant beugte sich über die verzerrten Züge, die glanzlosen Augen. Er richtete sich auf und sah Fraser an. »Was für einen Reim machen Sie sich darauf?«
    »Er wärmte eine Dose Bohnen«, sagte Fraser. »Aß sie gleich aus der Pfanne da. Damit.« Mit seinem Schuh zeigte Fraser auf einen Küchenlöffel mit abgeschlagenem blauen Emailgriff. »Ich würde sagen, dass er allein war. Ich würde sagen, dass er ein gutes Drittel des Doseninhalts aufaß, bevor das Gift ihn fällte.«
    »Haben Sie eine Vermutung, um welches Gift es sich handelte?« fragte Oliphant. Er nahm sein Zigarrenetui und den silbernen Zigarrenabschneider aus dem Überrock, zog einen Stumpen aus dem Etui und schnitt das Ende ein.
    »Ein starkes Gift«, sagte Fraser, »nach seinem Aussehen zu urteilen.«
    »Ja«, stimmte Oliphant zu. »Ein großer Kerl.«
    »Sir«, sagte Betteredge, »Sie sollten sich dies einmal ansehen.« Er zeigte ihm ein sehr langes Messer in einer schweißfleckigen Lederscheide. An dieser Scheide hing eine Art Tragegurt. Der Handgriff der Waffe war aus Horn, das Heft aus Messing. Betteredge zog das Messer aus der Scheide. Es wies Ähnlichkeit mit einem Seemannsdolch auf, hatte aber nur eine Schneide und eine eigentümlich geschwungene Spitze.
    »Wozu ist diese eingelegte Messingleiste am Rücken entlang gut?«, fragte Oliphant.
    »Um die Klinge eines Gegners zu parieren«, sagte Fraser. »Messing ist weich, hält die Schneide fest. Amerikanisch, wenn Sie mich fragen.«
    »Herstellerzeichen?«
    »Nein, Sir«, sagte Betteredge. »Handgeschmiedet, dem Aussehen nach.«
    »Zeig ihm den Revolver«, sagte Fraser.
    Betteredge steckte das Messer in die Scheide zurück und legte es auf den Kutschkasten. Unter seinem Umhang zog er einen schweren Revolver hervor. »Franko-mexikanisch«, sagte er im Ton eines Verkäufers. »Ballester-Molina; spannt sich nach dem ersten Schuss selbsttätig.«
    Oliphant hob die Brauen. »Militärische Dienstwaffe?« Die äußere Verarbeitung des Revolvers wirkte etwas unvollkommen.
    »Gefährliches Ding«, sagte Fraser mit einem Blick zu Oliphant. »Technisch gut, aber billig verarbeitet. Offensichtlich für den amerikanischen Waffenhandel. Die Stadtpolizei hat die gleichen Dinger von Seeleuten beschlagnahmt. Zu viele davon im Umlauf.«
    »Seeleute?«
    »Konföderierte, Yankees, Texaner …«
    »Texaner«, sagte Oliphant und kostete vom Ende seines noch kalten Stumpens. »Ich nehme an, wir stimmen in der Annahme überein, dass unser Freund hier von texanischer

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