Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
Huxley. »Bitte schicken Sie Mr. Reeks herein, mit seinen Skizzen vom Brontosaurus.«
Der Sekretär steckte seine Bleistiftnotizen in eine Ledermappe und ging nach einer Verbeugung in Mallorys Richtung.
»Wie ist es Ihnen ergangen, Ned?« Huxley musterte Mallory von oben bis unten, mit den schmalen, gnadenlos scharf beobachtenden Augen, die »Huxleys Schicht« in der menschlichen Haarwurzel entdeckt hatten. »Sie sehen sehr gut aus. Man kann sogar sagen, prachtvoll.«
»Hatte ein bisschen Glück«, sagte Mallory.
Zu seiner Überraschung kam hinter Huxleys übervollem Schreibtisch ein kleiner blonder Junge zum Vorschein, ordentlich gekleidet in einem Anzug mit Umlegekragen und Kniehosen. »Und wer ist dies?«, fragte Mallory.
»Die Zukunft«, antwortete Huxley und bückte sich, um das Kind hochzuheben. »Mein Sohn Noel. Er kam heute, um seinem Vater zu helfen. Sag Guten Tag zu Dr. Mallory, mein Junge.«
»Guten Tag, Mr. Mellowy«, piepte der Junge.
»Dr. Mallory«, verbesserte ihn Huxley in freundlichem Ton.
Noel machte große Augen. »Sind Sie ein Arzt , Mr. Mellowy?« Der Gedanke erschreckte ihn offensichtlich.
»Als wir uns zuletzt sahen, konntest du kaum gehen, Noel«, sagte Mallory herzlich, »und heute stehst du schon fest auf beiden Beinen, ganz der kleine Herr.« Er wusste, dass Huxley in das Kind vernarrt war. »Was macht dein kleiner Bruder?«
»Er hat jetzt auch noch eine Schwester«, erklärte Huxley und setzte den Jungen nieder. »Seit Sie in Wyoming waren.«
»Da wirst du aber froh sein, was, Noel?«
Der kleine Junge lächelte kurz, mit reservierter Höflichkeit. Er sprang auf seines Vaters Stuhl. Mallory legte seinen Koffer auf eine Ablage neben dem Bücherschrank, der eine ledergebundene Ausgabe der Werke Cuviers im Original enthielt. »Ich habe hier etwas, das Sie interessieren wird, Thomas«, sagte er beim Öffnen des Koffers. »Ein Geschenk für Sie von den Cheyenne.« Er dachte noch rechtzeitig daran, die Präservative unter die Westminster Review zu stecken, dann zog er ein verschnürtes Päckchen heraus und übergab es Huxley.
»Ich hoffe, es ist nicht eine von diesen ethnographischen Kuriositäten«, sagte Huxley lächelnd, als er die Schnur mit einem Papiermesser durchschnitt. »Ich kann diese elenden Perlen und Lederschnüre und Hundezähne nicht ausstehen …«
Das Päckchen enthielt sechs eingeschrumpft-runzlige braune Waffeln von der Größe mittlerer Münzen.
»Ein hilfreiches Vermächtnis für Sie, von einem Cheyenne-Medizinmann, Thomas.«
»Wie unsere anglikanischen Pfarrer, nicht wahr?« Huxley lächelte und hielt eines der ledrigen Objekte gegen das Licht. »Getrocknete pflanzliche Materie. Ein Kaktus?«
»Ich nehme es an.«
»Joseph Hooker von Kew könnte es uns sagen.«
»Dieser Zauberdoktor durchschaute gleich den Zweck unserer Expedition. Er erkannte, dass wir die Absicht hatten, das tote Ungeheuer hier in England wiederzubeleben. Er sagte, dass diese Waffeln Sie befähigen würden, weit zu reisen, Thomas, und die Seele der Kreatur zurückzuholen.«
»Und was soll ich tun, Ned? Mir einen Rosenkranz daraus machen?«
»Nein, Thomas, Sie müssen die Dinger essen. Essen, singen, auf die Handtrommel schlagen und tanzen wie ein Derwisch, bis Sie in einem Anfall zu Boden stürzen. Das ist die Standardmethode, soviel ich weiß.« Mallory schmunzelte.
»Bestimmte Pflanzengifte haben die Fähigkeit, Wahnvorstellungen oder Visionen zu erzeugen«, bemerkte Huxley und verstaute die Scheiben sorgsam in einer Schreibtischschublade. »Danke, Ned. Ich werde Sorge tragen, dass sie ordent lich katalogisiert werden. Ich fürchte, der Druck der Geschäfte hat unseren Mr. Reeks überwältigt. Gewöhnlich lässt er nicht so lange auf sich warten.«
»Draußen sind heute eine Menge Besucher«, sagte Mallory ablenkend. Huxleys Junge hatte ein Rahmbonbon aus der Tasche gezogen und wickelte es sorgfältig aus.
»Ja«, sagte Huxley, »die englischen Museen, unsere Festungen des Intellekts, wie der Premierminister es in seiner redegewandten Art ausdrückt. Wie man auch darüber denken mag, es ist nicht zu leugnen, dass Erziehung und Ausbildung der Massen die größte Aufgabe ist, die unsere Zeit stellt. Obwohl es Tage gibt, wo ich am liebsten alles hinwerfen würde, Ned, um wie Sie wieder zur Feldarbeit hinauszuziehen.«
»Sie werden hier gebraucht, Thomas.«
»Das bekomme ich öfters zu hören«, sagte Huxley. »Ich versuche trotzdem, rauszukommen, wenigstens einmal im Jahr. Wales,
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