Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
hauptsächlich … Wanderungen durch das Bergland. Es regeneriert die Seele.« Er schwieg für einen Moment. »Wussten Sie, dass ich für eine Lordschaft fällig bin?«
»Nein!«, rief Mallory erfreut. »Thomas Huxley, ein Lord! Wahrhaftig! Was für eine prachtvolle Neuigkeit!«
Huxley machte ein unerwartet grämliches Gesicht. »Ich sprach mit Lord Forbes von der Royal Society. ›Nun‹, sagte Forbes, ›ich freue mich, Ihnen sagen zu können, dass Sie für das Oberhaus als geeignet befunden wurden; die Wahl wurde am Freitagabend vorgenommen, und ich höre, dass Sie unter den Auserwählten sind.‹« Huxley hatte ohne erkennbare Anstrengung Forbes’ Gesten, seine Redeweise und sogar seinen Ton vollkommen imitiert. Er blickte auf. »Ich habe die Liste nicht gesehen, aber Forbes’ Autorität ist so, dass ich ziemlich sicher bin.«
»Natürlich!«, rief Mallory aus. »Ein wackerer Mann, der gute Forbes!«
»Ich werde mich nicht völlig sicher fühlen, solange ich die offizielle Bestätigung nicht habe«, sagte Huxley. »Und ich muss bekennen, Ned, dass ich ein wenig in Sorge bin, vor allem angesichts des schlechten Gesundheitszustandes unseres Premierministers.«
»Ja, ein Jammer, dass er krank ist«, bekräftigte Mallory. »Aber warum sollte Ihnen das Sorgen bereiten? Ihre Leistungen sprechen für sich!«
Huxley schüttelte den Kopf. »Die Zeitwahl scheint nicht zufällig. Ich vermute, dass es sich um ein Komplott von Babbage und seinen Elite-Freunden handelt, einen letzten Ver such, das Oberhaus mit wissenschaftlichen Gelehrten zu durch setzen, solange Byron noch am Ruder ist.«
»Das ist ein finsterer Verdacht«, befand Mallory. »Sie waren der bedeutendste Verfechter der Evolution! Warum stellen Sie Ihr Glück in Frage? Es scheint mir eine Sache einfacher Gerechtigkeit zu sein!«
Huxley umfasste mit beiden Händen die Jackenaufschläge, eine Geste tiefer Aufrichtigkeit. »Ob ich die Lordschaft habe oder nicht, ich kann eines sagen: Es war immer mein Ziel, so zu handeln, dass meine Arbeit für sich spricht. Ich habe niemals um eine besondere Gunst gebeten. Wenn mir der Titel verliehen wird, dann geschieht es nicht durch irgendeine Intrige meinerseits.«
»Intrigen haben damit nichts zu tun!«, rief Mallory.
»Selbstverständlich haben sie!«, hielt Huxley dagegen. »Obwohl ich das nicht öffentlich sagen würde.« Er senkte seine Stimme. »Aber Sie und ich kennen einander schon seit langen Jahren. Ich zähle auf Sie als einen Verbündeten, Ned, und einen Freund der Wahrheit.«
Huxley begann, auf dem Orientteppich vor seinem Schreibtisch auf und ab zu gehen. »Es hat keinen Sinn, in einer so wichtigen Sache falsche Bescheidenheit zu zeigen. Wir haben wichtige Pflichten zu erfüllen; gegen uns selbst, gegen die Außenwelt und gegen die Wissenschaft. Wir ernten Lob, was kein ungeteiltes Vergnügen ist, und ertragen vielfältige Schwie rigkeiten, Schmerzen und sogar Gefahren.«
Mallory fühlte sich überrumpelt, sowohl von der Neuigkeit als auch von der plötzlichen Last, die Huxleys Aufrichtigkeit bedeutete. Aber so war Huxley immer gewesen, dachte er; schon als Student war seine Gesellschaft immer ein Schock und ein Anstoß gewesen. Zum ersten Mal seit Kanada fühlte Mallory sich wieder in seiner wahren Welt, auf der reineren, höheren Ebene, die Huxleys Geist bewohnte. »Gefahren welcher Art?«, fragte er verspätet.
»Moralische Gefahr. Auch physische Gefahr. Das Ringen um weltliche Macht ist immer gefahrvoll. Eine Lordschaft ist ein politischer Posten. Partei und Regierung, Ned. Geld und Gesetz. Versuchung, vielleicht niedere Kompromisse … Die Hilfsquellen der Nation sind begrenzt; der Wettbewerb ist knallhart. Die Nischen von Wissenschaft und Erziehung müssen verteidigt werden, nein, erweitert!« Huxley lächelte grimmig. »Irgendwie müssen wir in die Nesseln greifen. Die Alternative wäre, still zu sitzen und die Zukunft der Welt den Launen des Teufels zu überlassen. Und ich würde mich lieber in Stücke reißen lassen, als die Wissenschaft prostituiert sehen zu müssen!«
Erschrocken über Huxleys Offenheit, blickte Mallory zu dem kleinen Jungen, der sein Sahnebonbon lutschte und mit seinen neuen, glänzenden Schuhen gegen die Stuhlbeine stieß.
»Sie sind der richtige Mann für die Aufgabe, Thomas«, sagte Mallory. »Sie wissen, dass Ihnen jede Hilfe sicher ist, die ich bieten kann, sollte ich gebraucht werden.«
»Es freut mich, das zu hören, Ned. Ich vertraue wirklich auf die Stärke
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