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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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einer Reihe von Ju weliergeschäften und anderen exklusiven Läden empor. Der Droschkenkutscher verlangte unverschämt viel, aber Mallory tat, als bemerke er es nicht, da er sich in einer überschwänglichen Stimmung befand. Zudem schien es, als hätten alle Droschkenkutscher es darauf angelegt, ihre Fahrgäste zu betrügen. Nicht weit von ihm entfernt war soeben ein anderer Mann aus seiner Droschke gestiegen und stritt in vulgärer Manier mit seinem Kutscher.
    Mallory hatte die Erfahrung gemacht, dass nichts dem Einkaufen gleichkam, wenn es um die befriedigende Demonstra tion der Macht seines neu gefundenen Reichtums ging. Er hatte sein Geld durch einen Akt halb verrückter Risikobereitschaft gewonnen, aber das Geheimnis seines Ursprungs war bei ihm sicher. Londons Registrierkassen klingelten für die leichtfertigen Gewinne des Glücksspiels so bereitwillig wie für den Heller der armen Witwe.
    Was also sollte es sein? Diese gigantische gusseiserne Vase mit achteckigem Fuß und acht durchbrochenen Schirmen, die vor dem kannelierten Säulenfuß hingen und dem ganzen Objekt eine einmalige Leichtigkeit und Eleganz verliehen? Diese geschnitzte Konsole aus Buchsbaumholz mit skulptiertem Baldachin über einem Thermometer aus venezianischem Glas? Dieses Salzfässchen aus Ebenholz, geschmückt mit Säulen und kunstvoll eingetieften Sockelfeldern, versehen mit einem silbernen Salzlöffel, dessen spiraliger Stil Kleeblätter und Eichenlaub sowie das Monogramm eigener Wahl trug?
    Bei J. Walker & Co. einem kleinen, aber ungemein geschmackvollen Etablissement in der berühmten Arkade, entdeckte Mallory ein Geschenk, das ihm überaus geeignet erschien. Es war eine Uhr mit Achttagewerk, das die Viertel und die vollen Stunden mit feinen Glockentönen anschlug, das Datum, den Wochentag und die Mondphasen anzeigte. Ein hervorragendes Stück britischer Präzisionsarbeit, obwohl das elegante Gehäuse bei mechanisch unkundigen Laien mehr Bewunderung erregen würde. Dieses Gehäuse, aus feinstem, lackiertem Papiermaschee, eingelegt mit türkisfarbenem geschliffenen Glas, trug eine Gruppe großer vergoldeter Figuren. Zu diesen gehörte eine junge und entschieden attraktive Britannia, sehr leicht bekleidet, die den Fortschritt bewunderte, welchen Zeit und Wissenschaft in der Zivilisation und dem Glück des Volkes bewirkt hatten. Dieses löbliche Thema wurde zusätzlich von einer Serie von sieben gravierten Szenen illustriert, die von einem verborgenen Getriebe im Sockel des Uhrengehäuses dergestalt im Kreis bewegt wurden, dass jeden Tag eine andere im Bildausschnitt erschien.
    Der Preis betrug nicht weniger als vierzehn Guineen. Anscheinend konnte ein Gegenstand dieser künstlerischen Seltenheit nicht in einfachen Pfunden, Shillingen und Pence benannt werden.
    Mallory kam der äußerst pragmatische Gedanke, dass dem glücklichen Brautpaar vielleicht besser gedient wäre, wenn es vierzehn goldene Guineen in die Hand bekäme. Aber das Geld würde bald dahin sein, wie es immer mit dem Geld ging, wenn man jung war. Eine feine Uhr wie diese aber konnte das Heim über Generationen hin schmücken.
    Mallory kaufte die Uhr mit Bargeld und lehnte das Angebot der Kreditgewährung mit einem Jahr Ratenrückzahlung ab. Der Verkäufer, ein herablassender älterer Mann, der in einem gestärkten Stehkragen schwitzte, demonstrierte das System von Hemmklötzen aus Kork, die das Gangwerk vor den Gefahren von Stößen während des Transports schützten. Zu der Uhr gehörte ein verschließbarer und mit Handgriff versehener Kasten, dessen Inneres aus der Form angepasstem Kork unter burgunderrotem Samt bestand.
    Mallory wusste, dass er sein Geschenk niemals in einen überfüllten Dampfbus würde zwängen können. Er musste wiederholt eine Droschke mieten und das Uhrengehäuse auf dem Dach vertäuen lassen. Eine unangenehme Vorstellung, da London von jugendlichen Dieben heimgesucht wurde, die als »Angler« bekannt waren, affenartig gewandte Burschen, die sich mit Sägemessern und Dolchen auf die Dächer vorbeifahrender Kutschen schwangen, um die Lederriemen zu durchschneiden, die das Gepäck sicherten. Bis die überfallene Kutsche zum Stillstand kam, hatten die Diebe ihre Beute meist schon abgeworfen und sie mit ihren Helfern in die Tiefen irgendeines üblen Gaunerunterschlupfs geschleppt, wo die Beute von Hand zu Hand ging, bis der Inhalt von Koffern und Taschen in einem Dutzend Altwarengeschäften endete.
    Mallory schleppte seinen Einkauf durch die Burlington

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