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Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)

Titel: Die Differenzmaschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson , Bruce Sterling
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einem Brocken verwitterten Mörtels. Dann legte er seinen Hut daneben.
    Und dann drückte er sich mit dem Rücken gegen die Bretterwand.
    Der hüstelnde Herr erschien. Mallory sprang ihn an und schlug ihm mit aller Kraft einen rechten Haken in den Magen. Der Mann krümmte sich spuckend und stöhnend, und Mallory versetzte ihm eine kurze Linke ans Kinn. Dem anderen flog der Hut vom Kopf, und er brach in die Knie.
    Mallory ergriff ihn von hinten bei den Rockschößen und schleuderte ihn hart gegen die Ziegelmauer. Der Mann prallte ab, fiel zu Boden und lag keuchend da, das bärtige Gesicht mit Schmutz beschmiert. Mallory riss ihn mit beiden Händen bei Gurgel und Rockaufschlag in die Höhe. »Wer bist du?«
    »Hilfe«, krächzte der Mann schwächlich. »Mord!«
    Mallory schleifte ihn drei Schritte weiter in den Durchgang. »Spiel hier nicht den Ahnungslosen, du Spitzbube! Warum verfolgst du mich? Wer hat dich bezahlt? Wie heißt du?«
    Der Mann krallte sich verzweifelt an Mallorys Handgelenk. »Lassen Sie mich gehen!« Sein Gehrock war offen; darunter sah Mallory das braune Leder eines Schulterhalfters und griff sofort nach der Waffe darin.
    Es war keine Pistole, sondern kam in seine Hand wie eine lange, geölte Schlange. Ein Knüppel mit einem Griff aus ge flochtenem Leder und einem dicken schwarzen Gummischaft, am Ende mit einer Verdickung. Der Knüppel hatte eine federn de Elastizität, als bestünde der Kern des Knüppels aus einer langen, stählernen Spiralfeder.
    Mallory schwang die gefährliche Waffe, deren verdicktes Ende eine Bleikugel zu enthalten schien, nach dem Gewicht zu urteilen. Es war ein Totschläger, der mühelos Knochen brechen konnte. Der hüstelnde Herr kauerte vor ihm. »Beantworte meine Fragen!«
    Ein Blitzschlag traf Mallorys Hinterkopf. Um ein Haar hätten ihn die Sinne verlassen; er fühlte sich fallen, konnte den Sturz auf das schmierige Kopfsteinpflaster aber mit den Armen abfangen, die jetzt so taub und schwer wie Hammelkeulen waren. Dann kam ein zweiter Schlag, der aber nur seine Schulter streifte. Er fuhr herum und knurrte – ein kehliges, bellendes Geräusch, wie er es nie aus seiner eigenen Kehle vernommen hatte. Ziellos trat er nach seinem Angreifer, erwischte sein Schienbein. Der Mann hüpfte zurück und fluchte.
    Mallory hatte den Totschläger verloren. Er taumelte hoch, stand in geduckter Haltung da, unsicher auf den Beinen. Der zweite Mann war klein und beleibt; seine Melone hatte er tief in die Stirn gezogen. Er stand über den ausgestreckten Beinen des hüstelnden Herren und hieb mit einem wurstförmigen, lederbezogenen Knüppel nach Mallory.
    Blut rann Mallory den Hals herunter, und eine Welle schwindelerregender Übelkeit erfaßte ihn. Ihm war, als müsse er jeden Augenblick die Besinnung verlieren, und sein gesunder Instinkt sagte ihm, dass er sicherlich totgeschlagen würde, wenn er jetzt fiele.
    Also wandte er sich um und floh auf wackeligen Beinen zurück zur Straße. Sein Kopf schien zu rattern und zu quietschen, als ob die Schädelnähte aufgeplatzt wären. Roter Nebel wirbelte wie Öl auf strömendem Wasser vor seinen Augen.
    Ein kurzes Stück wankte er die Straße hinunter und bog keuchend um eine Ecke. Er lehnte sich an eine Wand und stützte die Hände auf die Knie. Ein achtbares Ehepaar ging vorbei und starrte ihn voller Abscheu an. Mit rinnender Nase, den sauren Geschmack von Mageninhalt in der Kehle, starrte er in schwächlichem Trotz zurück. Er fühlte irgendwie, dass die Zuchthäusler, wenn sie sein Blut witterten, ihn wie Hyänen niederreißen würden.
    Zeit verging. Weitere Londoner schlenderten vorbei, bedachten ihn mit gleichgültigen, neugierigen, missbilligenden Blicken, hielten ihn für betrunken oder krank. Mallory spähte mit wässernden Augen zu dem Haus gegenüber, zum emaillierten gusseisernen Straßenschild an der Ecke.
    Half Moon Street. Die Half Moon Street, wo Oliphant wohnte.
    Er fühlte in seiner Tasche nach dem Notizbuch. Es war noch da, und die vertraute Berührung des festen Ledereinbands war wie ein Segen. Mit zitternden Fingern fand er Oliphants Karte.
    Als er die Adresse erreicht hatte, am anderen Ende der Half Moon Street, schwankte er nicht mehr auf den Beinen. Das hässliche Schwindelgefühl in seinem Schädel war einem schmerzhaften Pochen gewichen.
    Oliphant wohnte in einem alten georgianischen Herrenhaus, das für moderne Mieter in Wohnungen aufgeteilt worden war. Das Erdgeschoss hatte schmiedeeiserne Ziergitter vor den halbrunden

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