Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
die Nutzer dieser Dienste, überhaupt wirklich Kunden? Sind wir nicht eher das Produkt?
Als Kunden finden wir es natürlich großartig, wenn wir etwas kostenlos bekommen. Gewiss, für manche Dinge im Netz müssenwir bezahlen, zum Beispiel, wenn wir eine Reise buchen, eine Musikdatei, ein Buch oder eine spezielle Software erwerben. Das ist das klassische Modell. Ein Kunde erwirbt ein Produkt und bezahlt dafür. Wir bezahlen auch für unseren Internetzugang. Aber viele Dinge erhalten wir im Netz vermeintlich umsonst. Wir können kostenfrei die Dienstleistung einer Suchmaschine in Anspruch nehmen. Wir können kostenlos Zeitungsartikel im Netz lesen, Videos gucken oder unseren Freunden, Bekannten und Unbekannten neue Fotos zeigen. Wir können E-Mails schicken, eigene Blogs erstellen und vollschreiben, uns bei Twitter unterhalten oder andere Dinge tun, die uns vor wenigen Jahren überhaupt nicht in den Sinn gekommen wären. Kostenlos. Obwohl es etwas kostet, diese Angebote zur Verfügung zu stellen.
Die modernen digitalen Großkonzerne holen sich ihr Geld sehr wohl. Auch von uns Verbrauchern. Nicht direkt, sondern indirekt. Sie bieten uns ihre Dienstleistungen kostenlos an, weil ihre Wertschöpfung auf unserer Aufmerksamkeit basiert. Damit bezahlen wir ihr kostenloses Angebot, und diese Aufmerksamkeit können die Googles, Yahoos, Microsofts und Facebooks dieser Welt dann zu Geld machen. Während wir auf ihren Seiten herumsurfen, wird Werbung eingeblendet. Und für diese Werbung müssen diejenigen bezahlen, die sie schalten. Nun buchen Unternehmen nicht aus Spaß an der Freude Werbeplätze auf Internetseiten, sondern weil sie sich davon etwas versprechen. Sie möchten Kunden gewinnen, ihnen etwas verkaufen. Die Investition in Werbung lohnt sich, sobald sie Käufe initiiert. Je mehr Menschen sie sehen, desto höher ist die Chance dafür.
Dahinter steckt auch eine raffinierte Technik. Wenn Firmen Werbung schalten möchten, dann möchten sie diese optimal platzieren. Ein Mensch in einem indonesischen Internetcafé wird wenig mit der Werbung eines Kölner Schuhhändlers, eines Schweizer Kontaktlinsenverkäufers oder einer britischen Gärtnerzeitschrift anfangen können. Daher wird uns diese Werbung auf der Basis von ausgetüftelten Mechanismen serviert. Zum einen ist es der Kontext, in dem die Werbung angezeigt wird: Wenn Sie in einer Suchmaschine ein Wort eingeben, dann geben Sie damit unmissverständlich kund, was Sie interessiert. Dementsprechend kann man Ihnen Werbung präsentieren. Wenn Sie auf einer Website surfen, die bestimmte Themen behandelt – beispielsweiseFußball –, dann kann man passende Werbung einblenden. So weit, so einfach.
Aber Sie liefern mit Ihrer Nutzung der »kostenlosen« Angebote noch weitere Informationen über sich. Wenn Sie einen Dienst im Internet nutzen, für den Sie sich registriert haben, machen Sie Angaben über sich selbst. Wo Sie wohnen, wie alt Sie sind, wofür Sie sich interessieren. All das sind Daten, die dann unter Umständen für Werbung interessant sein können. Und Sie erzeugen, ganz nebenbei, immer neue interessante Daten: beispielsweise, wenn Sie ein Foto hochladen, das Sie mit Ihrem Smartphone gemacht haben. In der Datei kann durchaus vermerkt sein, an welchem Ort es aufgenommen wurde. Vielleicht sind Sie ja dort? Oder reisen dort öfter hin? Die passende Werbung dazu gefällig? Sie klicken häufiger hierhin als dorthin. Sie scheinen sich für etwas speziell zu interessieren. Möchten Sie nicht etwas Passendes dazu kaufen?
Unser Verhalten ist es, was die Werbetreibenden derzeit am meisten interessiert. Wenn wir direkt gefragt werden, was uns interessiert, können wir eine falsche Auskunft geben oder ein Interesse nur vortäuschen. Wenn man uns aber aus dem Hintergrund beobachtet, dann verfangen solche Manöver nicht, zumindest nicht dauerhaft. In unserem Suchverhalten, in den aufgerufenen Seiten im Web und in unserer Kommunikation drücken sich unsere Interessen aus. Überlegen Sie doch mal, an welcher Stelle in Ihrem Leben Sie am ehrlichsten sind. Vielleicht ist es Ihre Suche bei Google, dem Unternehmen, das auf alle Ihre Fragen eine Antwort verspricht.
Für Google arbeiten weltweit Ende 2011 etwas über 31 000 Menschen. Das sind nicht sonderlich viele für eine Firma, die im Jahr 2011 einen Umsatz von fast 40 Milliarden Dollar anpeilte. Zum Vergleich: Die August Oetker KG, die vor allem für Lebensmittel bekannt ist, aber einen gewichtigen Teil ihres
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