Die digitale Gesellschaft - Lüke, F: Die digitale Gesellschaft
500«-Mission, wie sie in einem Sandkasten die Marslandung probten – und warum ihnen in der Raumschiffattrappe die Frauen am meisten fehlten.
Jeder Klick gilt als Nutzerinteraktion und schlägt sich damit in der Bilanz des Anbieters positiv nieder. Unvergessen ist auch die Bildergalerie von Sueddeutsche.de »Die 100 besten Biere der Welt«, die ein sehr gutes Beispiel dafür ist, welchen Schrott uns die Redaktionen kredenzen, damit sie möglichst viele Klicks vorweisen können.
Zusammengewürfelte Bildergalerien, sensationshaschende Antexter, Rätselspiele: Mit Journalismus jedenfalls hat dies allesnichts zu tun. Es geht um Klicks, Klicks und nochmal Klicks. Denn irgendwo sitzt ein Finanzvorstand, der anhand derartiger Zahlen sicher davon überzeugt werden kann, dass der Chefredakteur alles richtig macht.
Ist das Journalismus?
Der journalistische Online-Kosmos ist eine Kunstwelt, in der alles gleichzeitig durcheinandergeht. Da stehen große und tief recherchierte Storys neben kleinen Meldungen, klickträchtigen Bildergalerien und Spielen. Die Medienkonzerne jammern: Mit Journalismus lässt sich im Internet kein Geld verdienen. Das stimmt irgendwie. Für gute aktuelle Texte will kaum ein Mensch bezahlen, was sie wert sind. Journalismus ist, sofern es sich dabei um eine privatwirtschaftliche Unternehmung handelt, ein Huckepack-Geschäft: Eine Zeitung kostet das Geld für den Inhalt, den Druck, den Vertrieb und die Verwaltung dieser Tätigkeiten. Sie finanziert sich durch das, was die Käufer am Kiosk dafür bezahlen, was die Abonnenten in die Kasse spülen und was Werbekunden investieren, um im Umfeld der Inhalte dieser Zeitung zu werben.
Früher konnten Zeitungen eine zusätzliche Sonderstellung dadurch haben, dass sie oft das einzige Medium waren, das in bestimmten Regionen oder von bestimmten Gruppen von Menschen regelmäßig gelesen wurde. Das machte sie attraktiv auch für Kleinanzeigen. Wer in Köln eine Kommode verkaufen oder eine Wohnung vermieten wollte, der inserierte in ›Kölnische Rundschau‹ oder ›Kölner Stadt-Anzeiger‹. Heute landet die Kommode mit Bildern bei eBay, die Wohnung mit Grundriss, Details und genauer Beschreibung bei Immonet. Wer früher einen neuen Partner suchte, inserierte das in einem Stadtmagazin. Heute kann er oder sie bei Parship, Elitepartner oder einer anderen der Dutzenden Partnervermittlungsplattformen Gleiches tun, und das mit einer größeren Reichweite, besserem Komfort und geringerem Aufwand. Das gilt für alle Rubrikenmärkte: Online sind sie einfach besser als im klassischen Printformat, ob es nun um Autos, Männer, Möbel, Dienstleistungen oder Jobs geht.
Zunächst möchte man denken: Wie schlimm für die Verlage!Ein wesentliches Standbein ihrer wirtschaftlichen Existenz ist weggebrochen. Ganz so schlimm stellt es sich nicht dar, wenn man genauer hinsieht, wer eigentlich diese neuen Anzeigenmärkte beherrscht. Hat nicht der Zeit-Verlag aus seinem Heiratsmarkt heraus die Partnervermittlung Parship mitgegründet? Ist es nicht der frühere Axel Springer Verlag, der heute nicht mehr Verlag heißt, dem die Jobbörse Stepstone, das Immobilienportal Immonet und viele weitere derartige Angebote gehören? Der ein Drittel seiner Umsätze inzwischen im und anhand des Internets macht? Für die Verlage hat sich vor allem eines geändert: Sie brauchen den Journalismus nicht mehr, um Geld verdienen zu können. Bislang war er der unverzichtbare Kahn, um Werbeplätze zum Bürger verschiffen zu können. Dieses Transportmittel ist nicht mehr notwendig. Weshalb die ersten Unternehmen auch schon das Wort Verlag aus ihrem Namen gestrichen haben. Ist das gut oder schlecht? Beides.
Schlecht ist es, weil es dazu führt, dass echter, zeitintensiver und damit auch teurer Journalismus durch Formate abgelöst wird, die diesen Namen kaum verdienen. In den vergangenen Jahren ist zum Beispiel eine wahre Flut »Corporate Publishing«-Titel auf den Markt gespült worden. Diese Magazine, meist Kundenmagazine, bei denen Artikel oftmals auch namhafter und guter Journalisten zwischen die in Aufmachung und Stil kaum davon zu unterscheidenden Werbeblöcke geworfen werden, kommen zum Beispiel als ›Mobil‹ in den Zügen der deutschen Bahn daher oder sind als Magazin der jeweiligen Fluglinie an jedem Sitzplatz zu finden. Darin finden sich dann die tollsten Reiseziele – wie zufällig auch meist mit direkter Fluganbindung durch die Fluggesellschaft, bei der wir uns gerade an Bord befinden
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