Die Diktatorin der Welt
acht oder zehn Stunden zum letztenmal gesehen hatte – unordentlich, wie es sich für ein Labor gehörte, in dem gearbeitet wurde, und unbeschädigt.
Ein Warnsignal meldete sich in Kens Unterbewußtsein. Wenn es nicht Nenus Absicht gewesen war, die Leute, die an dem für sie gefährlichen Projekt arbeiteten, zu beseitigen und die Maschinerie, deren sie sich bedienten, zu vernichten – weswegen war sie dann hierher gekommen? War sie gestört worden? Hatte sie nicht genug Zeit gehabt, ihr Vorhaben auszuführen?
Er half Dado auf die Beine und brachte sie dazu, sich auf der Liege auszustrecken. Sie schien ihn nicht zu erkennen. Ihr Blick war verschleiert, eine Nachwirkung der Ultraschallbestrahlung, der sie ausgesetzt war, nachdem Nenu sie offenbar dazu gezwungen hatte, den Kopfschutz abzunehmen.
Felip gelang es schließlich, sich auf die Knie zu erheben. Ken beugte sich über ihn.
»Felip! Felip ... hören Sie mich?«
Felip strengte sich an, den Kopf zu drehen und zur Seite zu sehen. Es gelang ihm, aber er kniff vor Schmerz die Augen zusammen.
»Höre ...«, murmelte er undeutlich. »Höre ... wer ...?«
Ken rüttelte ihn an der Schulter.
»Felip! Ich bin's, Ken Lohmer. Nenu war hier. Verstehen Sie?«
»Nenu ...«
»Was tat sie? Was sagte sie?«
Felip schüttelte den Kopf.
»Lachte ... ließ uns Helme abnehmen ... lachte ... schade, daß ...«
»Schade was?« drängte Ken.
»Sagte ... schade, daß ... nicht hier sein kann ... wenn es passiert.«
»Wenn was passiert?« schrie Ken.
»Alles ... Bombe ...«
Die Anstrengung war zuviel für Felip. Er verlor den Halt und fiel aufs Gesicht. Ken sprang auf.
Eine Bombe! Das war die Antwort. Nenu hatte sich nicht die Mühe zu machen brauchen, die Geräte zu zerstören und Dado und Felip zu töten. Sie hatte irgendwo eine Sprengkapsel deponiert, und wenn die Kapsel explodierte, würde sie ihre Arbeit gründlicher und nachhaltiger tun, als es Nenu in der kurzen Zeit möglich gewesen wäre.
Eine kostbare Sekunde lang spielte Ken mit dem Gedanken, nach der Kapsel zu suchen und sie unschädlich zu machen, bevor sie Unheil anrichten konnte. Dann erkannte er die Lächerlichkeit des Vorhabens. Er kannte die Größe der Bombe nicht. Sie brauchte nicht größer zu sein als eine Erbse, wenn sie nach dem Kernfusionsprinzip arbeitete. Es gab hunderttausend Stellen, an der Nenu sie deponiert haben konnte. Und er wußte nicht, wie der Zeitzünder eingestellt war.
Es gab nur einen einzigen Ausweg.
Er mußte die Geräte opfern, um wenigstens die Menschen zu retten.
Er riß Dado von der Liege, schaffte sie zum Aufzug und legte sie neben Jernigan ab. Dann kehrte er zurück und holte Felip. Felip, halb bei Bewußtsein, knurrte zornig und leistete Widerstand. Ken packte ihn mit einem scharfen Griff um den Hals und schnürte ihm die Luft ab. Zuletzt holte er Nenu und vergaß nicht, ihre V-Pistole an sich zu nehmen.
Mit dem vollbeladenen Aufzug raste er nach unten. Er brauchte fünf Minuten, um die Bewußtlosen in Jernigans C5 zu verstauen. Dann fuhr er los. Jenseits der innersten Ringstraße begegnete er den ersten Polizeifahrzeugen. Eine Kolonne von großen Lastern parkte mitten auf der Straße. Polizisten, mit merkwürdigen Hauben als Kopfschutz, waren damit beschäftigt, Bewußtlose von der Straße aufzusammeln oder aus Ladengeschäften zu holen und sie auf die Ladepritschen der Laster zu stapeln.
Ken hielt an, als er das vorderste Fahrzeug erreichte. Ein Polizist mit den Rangabzeichen eines Captains kam auf ihn zu.
»Sie tragen keinen Kopfschutz!« war seine erste Feststellung. »Woher kommen Sie?«
Ken deutete rückwärts.
»Von dort, wo der Schallsender steht. Ich brauche keinen Kopfschutz. Der Sender ist ausgeschaltet.«
Der Polizist musterte ihn mißtrauisch.
»Wir haben unsere eigenen Meßgeräte. Sie erzählen mir nichts Neues, aber das Ding kann jeden Augenblick wieder in Betrieb gesetzt werden.«
Ken machte eine abwehrende Handbewegung.
»Hören Sie, der Schallsender steht im Augenblick nicht zur Debatte«, erwiderte er ungeduldig. »Passen Sie auf: Ich leite das Institut für Neurophysik. Mein Name ist Ken Lohmer. Ein Mann aus meinem Stab, Alf Jernigan, hat Sie alarmiert und um Hilfe gebeten. Jernigan und ein paar andere liegen bewußtlos in meinem Fahrzeug. Und im Institutsgebäude hat jemand eine Bombe hinterlegt, die jeden Augenblick detonieren kann.«
»Woher wollen Sie das wissen?« fragte der Polizist, alles andere als überzeugt.
»Zum
Weitere Kostenlose Bücher