Die Dilettanten
Vesper,
IOC-
Vizepräsident der FDP-Mann Thomas Bach und Chef des
Bundes Deutscher Radfahrer
der frühere SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping.
Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Nordhäuser SPD-Bürgermeisterin Barbara Rinke und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken der frühere Sächsische CDU-Kulturstaatsminister Hans Joachim Meyer.
»Parteien sind Interessengruppen in eigener Sache«, sagt dementsprechend der Politologe Winfried Steffani, »die an politischen Führungsaufgaben interessierten Bürgern Karrierechancen eröffnen.« 40 Aber wie funktioniert das genau?
Beim Weg nach ganz oben ist es in der Politik wie in der Musik oder im Sport: Man kann nicht früh genug beginnen – wer laufen kann, ist schon fast zu alt. Wer zu spät kommt, den bestraft die Konkurrenz.
2. Die Sprossen der Karriereleiter
Ein Ratgeber »Wie macht man in der Partei Karriere?«, wie ihn vor Jahren der Politologe Ulrich von Alemann in Form einer Karriereleiter skizziert hat 41 , sähe heute so aus:
Nachdem uns Mami und Papi schon seit der Kindergartenzeit zu Parteitagen oder Kneipenkonvents mitgeschleppt haben, treten wir einer Nachwuchsschmiede bei: Die SPDFalken nehmen uns ab sechs Jahren, die Schülerunion ab zwölf, Junge Union und Jusos ab vierzehn Jahren. Aber Vorsicht vor sozialer Isolation! Altkluges Stammtischgesülze, verbohrte Parteienwerbung und Hetze gegen sozial Schwache und Ausländer gilt bei den meisten Jugendlichen als »uncool«.
Wir studieren nebenbei und für den Lebenslauf Politologie, Jura oder »auf Lehreramt«, derweil wir uns auf Orts- und Kreisebene nach oben schleimen und intrigieren sowie an unserem Netzwerk basteln: Wo spielt der Minister Golf, welcher MdB braucht einen Referenten oder wenigstens eine Hilfskraft?
Wir werden endlich echte Politiker, ob nun als Stadtrat, Parteigeschäftsführer oder Chef einer Parteigliederung, wobei wir aber keinesfalls die Verankerung in der örtlichen Basis vernachlässigen dürfen. Denn ohne Erfolg in Parteiämtern kein Bundestagsmandat.
Dieses Mandat erwerben wir mit etwa 37 Jahren als politischen »Gesellenbrief« (von Alemann). Wir haben es geschafft, und wenn wir uns nicht mit goldenen Löffeln bestechen und dabei erwischen lassen, kann uns keiner mehr was.
Im Bundestag hocken wir möglichst vier Wahlperioden lang, also normalerweise 16 Jahre. Dann sind wir Mitte fünfzig, haben uns eine fette Pension verdient und auch sonst einiges legal oder halbseiden auf die Seite geschafft. Ein neues Leben kann beginnen, gern auch mit neuem Lebensabschnittspartner.
Wir starten eine zweite Karriere in einem Dankeschönjob, ob als Aufsichtsrat, Heuschreckenberater, Verbandspräsident oder auch nur als Talkshow-Dauergast.
So begleitet die Partei den Politiker von der Wiege bis in den Tod: »Von Staub zu Staub«, und dazwischen ist die Partei.
3. Innerparteiliche Demokratie – Gift für das Rückgrat
Die Karrieren deutscher Spitzenpolitiker sind also kaum zu verstehen ohne einen Blick auf das Verhältnis zu ihren Parteien. Die wiederum ähneln in westlichen Demokratien nach den Worten des Begründers der neoliberalen
Neuen Politischen Ökonomie
, Anthony Downs, »den Unternehmen in einer auf Gewinn abgestellten Wirtschaft«. 42 Bedeutet dies, dass ein Politiker von seiner Parteiführung ähnlich abhängig ist und sich ihr gegenüber ähnlich verhält wie ein Siemens-Mitarbeiter gegenüber seiner Konzernspitze?
Vom Bundestag aufwärts jedenfalls wird der Druck offenbarimmer stärker. So geht es in der Fraktionssitzung zu wie in einem preußischen Militärcamp: Wer etwa zu Themen spricht, für die er nicht »zuständig« ist, oder gar Koalitionskompromisse in Frage stellt, gerät schnell ins Abseits. Außerdem soll bereits in der Fraktion einheitlich abgestimmt werden – was soll denn sonst die Öffentlichkeit denken? Explosive Themen sollen daher am besten gar nicht zur Sprache kommen.
Etwaige Gegenstimmen müssen der Fraktionsführung vorher mitgeteilt und so dosiert werden, dass sie die Annahme der eigenen Vorlage nicht gefährden und natürlich nicht zu häufig vorkommen. Dass Abweichler, Andersdenkende und erst recht chronische »Querulanten« oft einzeln »ins Gebet genommen« und nach der Methode
Zuckerbrot und Peitsche
umgarnt oder beschimpft, mit Posten gelockt oder mit Rauswurf bedroht werden, versteht sich am Rande.
Parlamentsforscher Ismayr betont, der »Gewissensartikel« 38 des Grundgesetzes solle die Unabhängigkeit
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