Die Dilettanten
Befragten nicht etwa mangels Fachwissen aus einer Beurteilung heraus, sondern sich ihrerseits für kompetent zum Verteilen von Kompetenznoten, bei den Wahlen in Form von Stimmen.
Wenn aber die Bürger wirkliche Kompetenz gar nicht beurteilen können, dann entscheiden sie nach dem Eindruck: Ruhig, ernst und entschlossen wirkt kompetenter als fahrig, nörgelnd und zaudernd; bombastische Rhetorik erscheint kompetenter als unbeholfenes Stammeln. Auch das Aufsagen von Zahlen schindet Eindruck: Aber wer kann schon beurteilen, ob die vom »Experten« genannten Daten zur Bruttoninlandsverschuldung oder zur Nettokreditaufnahme nicht in Wahrheit das Geburtsdatum der Tochter oder die Nummer des Schweizer Bank kontos sind?
Jedenfalls ist im Gegensatz zur echten Kompetenz das Vortäuschen von Kompetenz erwünscht und notwendig: Einem Fachpolitiker sollte die Inkompetenz nicht gleich aus allen Knopflöchern hervorquellen. Er sollte wenigstens jenes allgemein übliche Geschwafel beherrschen, das sich auch ein Real-schulabsolvent binnen zwei Wochen aneignen kann. Der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim beklagt, Berufspolitiker seien weniger auf den Erwerb und Besitz von Kompetenz als auf ihr Vortäuschen spezialisiert, auf die »Darstellungskompetenz von Kompetenz«. Dies unterscheide sie von »Angehörigen wirklicher Professionen«, wie Ärzten, Rechtsanwälten oder Unternehmern, »die durch anspruchsvolle theoretische und praktische Spezialausbildungen ein hohes Maß an Fachwissen erworben haben«. 47
Kompetenzvortäuschung ist besonders in der sogenannten Mediendemokratie geradezu eine Existenzfrage. Schon der JournalistGünther Gaus beklagte, dass für eine Politikerkarriere die Präsentation in Talkshows und durch menschelnde Geschichtchen zunehmend wichtiger sei als wirkliche Fähigkeiten. Auch Parteienforscher Ulrich von Alemann betont die wachsende Bedeutung der Medien 48 , und unvergessen ist Altkanzler Schröders Credo, zum Regieren reichten ihm »
Bild, BamS
und Glotze«. 49
Recht zu bekommen ist wichtiger als recht zu haben, und Kompetenz auszustrahlen ist wichtiger als Kompetenz zu besitzen. Dies hört sich phrasenhaft an, entspricht aber exakt unserer Marktwirtschaft: Ein Produkt muss dem Käufer nützlich
scheinen
, nicht nützlich
sein
. Die Verpackung ist wichtiger als die Ware, die Werbung für ein Produkt teilweise teurer als seine Herstellung.
Nicht zufällig wird das Reizwort »Kompetenz« geradezu zum Fetisch aufgeblasen, etwa als im unvergessenen Wahlkampf 2002 der Möchtegernkanzler Edmund Stoiber sein Schattenkabinett »Kompetenzteam« nannte. Schon allein die Vokabel »Kompetenz« sollte Kompetenz suggerieren.
Welt
-Autor Konrad Adam entkleidete damals das Zauberwort seines Mythos: »Politische Kompetenz? Aber für was eigentlich?«, fragt er und gibt auch gleich die Antwort: »Der Reiz des Wortes Kompetenzteam besteht darin, dass niemand weiß, was mit ihm gemeint ist. Definitionsversuche sind nur negativ möglich … Es verhält sich mit diesem Team wie mit Ludwig Erhards ›Formierter Gesellschaft‹, einer bewusst unbestimmten Wortschöpfung, die deshalb so erfolgreich war, weil sich jeder bei ihr denken konnte, was er wollte. Das Kompetenzteam soll die Phantasie beschäftigen, und das tut es ja auch.« 50
Kein Wunder, dass Imageberater für die Spitzenpolitiker immer wichtiger werden. Wer glaubwürdig über des Kaisers neue Kleider schwadronieren will, braucht selbst welche: Kleider machen Leute!
So engagiert Peer Steinbrück schon Anfang 2006 eine professionelle PR-Agentur, »um sein Ansehen aufmöbeln zu lassen«. Sein Sprecher begründet den jährlich 160 000 Euro teuren Spaß ganz lässig: »Ein Politiker muss ein Markenartikel sein, der richtig verkauft wird.« 51
Überhaupt spart die Bundesregierung nicht an Steuergeldern bei der Darstellung ihrer eigenen Kompetenz. Gut sechs Millionen Euro gibt sie pro Quartal für »Öffentlichkeitsarbeit« aus, also für Broschüren/Bücher, CDs, Faltblätter, Beilagen und Sonderdrucke, Anzeigen, Filme, Messen und Ausstellungen.
Dabei gehört das Finanzministerium noch zu den Sparsamen. Statt 24 im Juni 1998 sind jetzt nur noch 18 Mitarbeiter direkt mit der »Verkaufe« befasst; auch das Wirtschaftsressort reduzierte um zehn auf 17, das Verkehrsressort von 11,5 und das Verteidigungsministerium von acht auf jeweils sieben Stellen. Dagegen expandierte der PR-Bereich im Auswärtigen Amt von 45 auf 113 Mitarbeiter, im Innenministerium von 15 auf 27,
Weitere Kostenlose Bücher