Die Dilettanten
im Entwicklungshilferessort von 16 auf 20, bei Bildung und Forschung von elf auf 14 und im Justizministerium von zehn auf zwölf Stellen. Insgesamt arbeitete im Juni 2007 von 18 799 Mitarbeitern aller Bundesministerien rund 1,5 Prozent für das Eigenlob der Regierung – im Juni 1998 war es nur ein Prozent der damals 19 654 Beschäftigten.
3. Raider heißt jetzt Twix
Vom Vortäuschen von Kompetenz ist es nur ein Schritt zum Vortäuschen von Politik: Das Erotikmagazin wird im Bibelumschlag, die Cognacflasche im Buchrücken versteckt, und wer Hausputz vortäuschen will, plaziert einfach Staubsauger, Besen und Wasser eimer samt Wischlappen im Wohnzimmer.
Nicht anders macht es die Politik:
Da wettert man theatralisch gegen die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft, während sie gleichzeitig durch Studiengebühren und Streichung der Lehrmittelfreiheit zementiert wird.
Da nennt man den Spitzensteuersatz von 45 Prozent »Reichensteuer«, während der normale Höchstsatz unter Helmut Kohl noch bei 53 Prozent lag.
Da »boykottiert« man die Olympia-Eröffnungsfeier, während gleichzeitig die Bemühungen um engere Wirtschaftsbeziehungen zu China auf Hochtouren laufen.
Da wettert man gegen die »Heuschrecken«, während man ihre Legalisierung nicht rückgängig macht.
Da schimpft man über »Gammelfleisch-Gangster«, während man ihre Identität dem Verbraucher gegenüber weiter verheimlicht.
Da beschwört man immer und überall den Klimaschutz, während man in der EU als Bremser bei der Festlegung umweltfreundlicher CO 2 -Werte auftritt.
Da informiert sich Angela Merkel »vor Ort« über die Gletscherschmelze in Grönland, fordert aber gleichzeitig den Bau neuer Kohlekraftwerke, die diese Schmelze befördern, was ihr selbst von der FDP den Vorwurf der »Umweltpolitik als Symbolik« einbringt.
Nun macht der Koblenzer Politikprofessor Jens Tenscher nicht ganz zu Unrecht das einfältige Volk selbst für derlei Schmu verantwortlich: »Da nun aber für die große Mehrheit der Bevölkerung Politik in ihrer ganzen Komplexität nicht direkt erfahrbar ist, wird … die mediengerechte Darstellung von Politik in Form von Ritualen, Stereotypen, Symbolen und geläufigenDenkschemata zur allgemein akzeptierten Vorstellung von ›politischer Wirklichkeit ‹: Während die Inszenierung von Politik für das Publikum zur politischen Realität wird, bleibt das politische Handeln ›hinter der Medienbühne‹ aber weitestgehend im Dunkeln.« 52
Deshalb spiegelt das Gruppenbild mit Dame einen erfolgreichen G-8-Gipfel vor, die Einweihung eines Autobahnabschnitts eine geglückte Verkehrspolitik und ein deutsch-türkischer Händedruck Fortschritte in der Integration. Den
Zeit
-Autor Jens Jessen erinnert der Ersatz echter durch symbolische Politik an die Schokowerbung: »Raider heißt jetzt Twix – sonst ändert sich nix«. 53
Da fragt man sich allerdings: Wenn der Schein wichtiger ist als das Sein, warum greift man dann nicht gleich auf Schauspieler zurück?
4. Müssen Fachpolitiker vom Fach sein?
Was zeichnet einen wirklich kompetenten Fachpolitiker aus? Der Akademiker schwört auf ein Fachstudium, der Ausbildungsmuffel erklärt dies selbstredend für überflüssig und faselt etwas von »praktischer Erfahrung« oder »Autodidaktik«.
Nun ist Kompetenz leider – oder für manche zum Glück – ein dehnbarer Begriff. Auch Mediziner werfen sich gegenseitig Quacksalberei vor. Trotzdem ist man sich meist einig, dass ein Arzt ohne Studium keiner ist.
Allerdings beweist ein Universitätsabschluss genau genommen nur, dass man Prüfer aufgetrieben hat, die einem die geforderten Fähigkeiten bescheinigen. Dass dieses Können aber tatsächlich vorhanden ist, kann der Außenstehende bestenfalls unterstellen. Dennoch ist der formale Nachweis sozusagen »besser alsnichts«: Die Ausbildung lässt auf Kompetenz hoffen. Könnte man sich nämlich alles autodidaktisch aneignen, so wären Universitäten und sogar sämtliche Bildungsstätten überflüssig.
Selbstverständlich reagiert die Entente der Inkompetenz auf Fragen nach der Ausbildung je nach Temperament herablassend, eingeschnappt oder aggressiv. Häufig kommt der bockige Hinweis auf einschlägige »Berufserfahrung« innerhalb der Politik. Das klingt plausibel, aber was erlebt wohl jemand, der bei der Verkehrskontrolle jahrelanges unfallfreies Fahren ohne Fahrerlaubnis als Führerscheinersatz geltend machen will?
Im Übrigen geht das Argument der »Erfahrung« ins Leere; denn
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