Die Dilettanten
»Bullshit«: »Der Bullshitter … steht weder auf der Seite des Wahren noch auf der des Falschen. Es ist ihm gleichgültig, ob seine Behauptungen die Realität korrekt beschreiben. Er wählt sie einfach so aus oder legt sich so zurecht, dass sie seiner Zielsetzung entsprechen.« 55
Weil manch ein Politiker mangels Kompetenz die Wahrheit gar nicht kennt, lügt er eigentlich nicht bewusst, sondern plappert wie ein Papagei nur nach, was andere ihnen souffliert haben, um dazuzugehören und/oder Karriere zu machen. Und wenn die Souffleure Einpeitscher des Turbokapitalismus sind, dann heißen die Schlachtrufe des Politikers eben schlanker statt sozialer Staat, freie statt soziale Marktwirtschaft.
7. Die Kernkompetenz der Politiker
Neben dem Vortäuschen von Kompetenz besteht offenbar die eigentliche Fähigkeit vieler Politiker im Machtkampf, vorzugsweise in eigener Sache. Das verwundert nicht, beruht doch die gesamte Marktwirtschaft auf der Annahme, dass jeder sich selbst der Nächste sei. Warum also sollten ausgerechnet Politiker keine Egoisten sein?
So bemerkt 1992 sogar der damalige qua Amt eigentlich neutrale und gemäßigte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: »Bei uns ist ein Berufspolitiker im Allgemeinen weder ein Fachmann noch ein Dilettant, sondern ein Generalist mit dem Spezialwissen, wie man politische Gegner bekämpft.« 56
Schon Anfang 2004 beklagt der Politologe Wilhelm Hennis, »dass die Politiker nicht mehr die Kenntnisse haben, die sie haben müssten. Sie kommen als Lehrer in den Bundestag und verstehen von nichts etwas – außer davon, wie man im Ortsverein seine Mehrheit organisiert.« 57 Heute würde Henniswohl auch noch die Juristen als Synonym für ahnungslose, aber machtbeflissene Volksvertreter nennen. Wie richtig er damit liegt, werden wir noch sehen.
8. Müssen Kritiker es besser können?
Häufig verlangen bloßgestellte »Experten« von ihren Kritikern, sie sollten gefälligst sagen, wie man es besser macht. Dies müssen die Kritiker aber keineswegs: Wer nachweist, dass man durch bloßes Schwingen der Arme nicht zum Saturn fliegen kann, muss kein Raumschiff konstruieren, ja nicht einmal darlegen, ob ein solcher Flug überhaupt möglich ist.
Wer damit allerdings ein Häuflein Erstklässler beauftragt, beweist sein fehlendes Interesse an der Lösung. Entsprechend bedeutet auch die Kritik an der Wirtschaftskompetenz keineswegs, die Probleme der Marktwirtschaft seien hauptsächlich eine Kompetenzfrage.
So beweist ja gerade die Weltfinanzkrise, dass der Turbokapitalismus auf die Gesellschaft ähnlich wirkt wie der Tsunami auf den Ausflugsdampfer. Vielleicht kann auch der beste Kapitän nichts ausrichten; aber wer einem Minigolfprofi die Kommandobrücke anvertraut, verrät deutlich, dass er auf kompetentes Personal gar keinen Wert legt, weil ihm Schiff und Passagiere völlig wurscht sind und er andere Ziele ansteuert.
Dass also Fachwissen nicht den Erfolg garantiert, bedeutet noch lange nicht, dass unsere Volksvertreter nach Gutdünken die Sicht der Dinge wie Hemden wechseln können. Natürlich kann Politik nirgendwo auf der Welt frei von internationalen Einflüssen betrieben werden. Lächerlich ist aber jenes sattsam bekannte Ritual: Regierungen geben alles Positive, zum Beispiel einen Aufschwung, stets als eigene Leistung aus und schiebenalles Negative auf »die Weltlage« – und die Opposition sieht es aus Prinzip genau umgekehrt.
Übrigens ist es beim Kompetenznachweis wie im Leistungssport: Ein Weltrekord kann auch durch Doping erzielt worden sein. Ein letzter Platz dagegen ist ein letzter Platz.
Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn die Bürger von dem, »was hinten rauskommt« (Helmut Kohl), auf die Kompetenz schließen, nach der Devise: »Ein Versprechen
nicht
halten, einen Plan
nicht
erfüllen, ein Ziel
nicht
erreichen kann ich auch, dazu brauche ich keine überbezahlten Politiker.«
9. Unsere Besten: Das Kompetenzteam Bundesregierung
Selbst eine Hauptschule und erst recht ein Gymnasium verfährt normalerweise nach dem Prinzip, dass die Englischlehrerin Englisch, der Biologielehrer Biologie und die Mathematiklehrerin Mathematik unterrichtet. Umgekehrt stellt ein Frisiersalon selten einen Maurer, eine Autowerkstatt eine Internistin oder eine Apotheke einen Fliesenleger ein.
Gerade dieses lustige System aber wird bei der Besetzung der Ressorts der Bundesregierung angewandt:
Bundeskanzleramt
Bundesminister für besondere Aufgaben:
Thomas de Maizière,
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