Die Dilettanten
ist.
Internationales Aufsehen erregt Schäuble im Januar 2006, als er einen Bundeswehreinsatz zur Fußball-WM vorschlägt. »Panzer vor die Stadien?«, fragt daraufhin selbst der
Focus
.
»Von Schäubles Denkmuster führt eine Linie nach Guantanamo«, konstatiert im April 2007 der FDP-Obmann im BNDUntersuchungsausschuss, Max Stadler, und im Juli spricht auch die
Zeit
wegen der Pläne zur »Verwendung von Foltergeständnissen« und dem »Freibrief zum Todesschuss« von »Schäubles Schreckensliste« und fragt: »Deutsches Guantánamo?«, denn »Guantánamo ist von seinen Gedankenspielen nicht mehr weit entfernt«. 212
Schäuble wiederum verteidigt am 1. Dezember 2007 das USFoltercamp: »Diejenigen, die sagen, Guantánamo ist nicht die richtige Lösung, müssen bereit sein, darüber nachzudenken,was die bessere Lösung ist. Denn allein mit der Kritik ist kein Problem gelöst.« 213 Klingt das nicht wie Churchills Ode an die Demokratie als »schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen«?
Aber auch beim Thema »Völkischer Patriotismus« schläft er nicht: Im Juli 2008 wird der Argwohn genährt, beim Einbürgerungstest gehe es Schäuble um Stimmungsmache gegen Ausländer, nicht um eine wirkliche Wissensprüfung: So enthält der Fragebogen für Niedersachsen falsche Farben in der Landesflagge, Phantasie-Behörden und Ungenauigkeiten – die Testfragen des Innenministeriums sind gar nicht richtig zu beantworten. Zudem vermisst der Zentralrat der Juden eine Thematisierung der Nazi-Verbrechen und spricht von einem »seltsamen Geschichtsverständnis«.
Nun würde man aber Wolfgang Schäuble grob beleidigen, unterstellte man ihm, Opfer seiner eigenen antiterroristischen Panikmache zu sein. Natürlich weiß er, dass Panzer vor Fabriktoren und auf Marktplätzen ebenso wenig Selbstmordattentate verhindern, wie man durch das Ausspionieren der politischen Meinung der Bürger Terroristen aufstöbert. Allerdings kennt er als gebildeter Mensch sicher die These des Neoliberalismuspapstes Milton Friedman, ein sozialdarwinistisches System wie die freie Marktwirtschaft funktioniere nur mit einem Polizeistaat (Law and order), der den infolge des Arm-Reich-Gefälles zu erwartenden Volksaufständen gebührend begegnet. 214 Nicht Hysterie leitet also Schäubles Politik, sondern gesunder Menschenverstand.
Andererseits könnte man zu Schäubles Gunsten auch annehmen, all sein bizarres Polizeistaatstheater habe ähnliche Gründe wie die Gewaltkriminalität junger abgehängter Prekarier. Man ist zeitlebens gedemütigt oder – noch schlimmer fast – einfach übersehen worden. Aus Schäubles Sicht war ja schon Kohlsewiges Regieren und der geplatzte Kanzlertraum eine Demütigung, dann der Verlust des Parteivorsitzes, schließlich das Gerangel ums Bundespräsidentenamt: Da musste Ehrgeizling Schäuble sich ja herumgeschubst und nicht mehr ernst genommen gefühlt haben. Und nun zeigt er es allen: Wie ein Innenminister die Politiker, die Demokraten und die Leitartikler auf Trab halten kann. Hätte man ihn einfach zum Regierungschef gemacht, dann wäre er heute vielleicht bedeutend umgänglicher und demokratischer. So aber ist er tatsächlich, wie Annette Ramelsberger in der
Süddeutschen Zeitung
zu Recht schreibt, »eine Gefahr für die Demokratie«. 215
Und das sogar im Wortsinn, denn es fehlte ja noch der Zentralangriff auf die demokratischen Einrichtungen. Den liefert Schäuble im November 2008. Weil er auf legale Weise sein Polizeistaatmonster namens
BKA-Gesetz
kaum durch den Bundesrat bringen kann, schlägt er im November 2008 nach der Devise
Was nicht passt, wird passend gemacht
kurzerhand ein anderes Abstimmungsverfahren in der Länderkammer vor. Kommentar der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast: »Dieser Minister hat entweder die Demokratie nicht verstanden, oder er will sie abschaffen.« Tatsächlich: Als dann eine entschärfte Version den Bundestag passiert, bedauert Schäuble, dass die richterliche Zustimmung nicht erst im Nachhinein eingeholt werden könne. Was denn: Schäuble weiß schon vorher, dass die Richter das staatliche Horch & Guck im Nachhinein absegnen werden?
Gesinnungsschnüffelei ist auch das Thema des Gesetzes über die Strafbarkeit des Besuchs von Terrorcamps, das nach Meinung von Heribert Prantl versucht, den Film
Minority Report
, in dem es um Verbrechensverhinderung durch Gedankenlesen geht, »in die Realität zu übersetzen… Der Regisseur heißt Spielberg. In der Politik heißt er Schäuble; die
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