Die Dilettanten
»Grüne wollen Kuhn auf Ministerposten heben.« 206
Ursprünglich von Joschka Fischer selbst als Thronfolger eingesetzt – »Das erbt alles der Fritz, der übernimmt den Laden« 207 –, hat sich Kuhn hinsichtlich der Zählebigkeit seines Nachfolgers Bütikofer grob verschätzt. So sitzt er im Frühjahr 2004 »im Warteraum und kann nur hoffen, dass sich die Tür öffnet«. 208 Das rot-grüne Wahlfiasko von 2005 versperrt ihm zunächst diese Tür, aber der Fraktionsvorsitz ist ja besser als nichts.
Allerdings auch nicht genug für einen Fritz Kuhn, und so rührt er schon die Trommel für Schwarz-Grün. Im März 2008 präsentiert er das Konzept
Grüne Marktwirtschaft
: Wirtschaftliche Stärke sei wichtig für die Finanzierung sozialer Gerechtigkeit, der Markt sei ein gutes Mittel, um ökologische und soziale Ziele zu erreichen, und überhaupt. Des Marktwirtschaftsvaters Adam Smith »unsichtbare Hand des Marktes wird grün«. 209
Auf Deutsch: Hätten die US-Bürger Bio-Burger statt Häuser und die Deutschen Bio-Autos statt Flachbildschirme gekauft, dann hätten wir jetzt keine Weltwirtschaftskrise.
Natürlich stimmt Kuhn im Bundestag im Oktober 2007 entgegen dem Beschluss des Göttinger Sonderparteitags gemeinsammit anderen 14 Grünen Abgeordneten für eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats, ebenso im Oktober 2008. Und selbstverständlich stimmt er gegen das Bankenpaket ebenso wie gegen die Wiedereinführung der Pendlerpauschale, und mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitnehmer braucht man ihm gar nicht erst zu kommen.
Ansonsten sucht er schon immer verzweifelt nach Publicity um jeden Preis: 1993 unternimmt er den 24-stündigen Fernsehselbstversuch: »Ich glotz TV – wenn die prallen Möpse hüpfen«, 2006 wiederholt er das Ganze als »Ich glotz TV – rund um die Uhr«. 210
Einen herben Rückschlag erleidet er allerdings, als er auf dem Parteitag im November 2008 nicht in den Parteirat gewählt wird. Man nahm ihm übel, dass er einen sicheren Bundestagslistenplatz für den damals schon designierten Parteichef Özdemir verhindert habe.
Aber dennoch oder jetzt erst recht: Ob Schwarz-Grün oder »Jamaika« – Fritz Kuhn steht für jedweden Regierungsposten selbstlos zur Verfügung. Einen Linguisten als Finanzminister hatten wir ja noch nicht …
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CSU), Jurist, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
Freiherr aus der Asche
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, geboren am 5. Dezember 1971 in München, ist die »Allzweckwaffe« der CSU.
Nach dem Abitur leistet er seinen Wehrdienst bei den Mittenwalder Gebirgsjägern, studiert Jura und Politik, von 1996 bis 2002 im Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG und zwischendurch freier Mitarbeiter der
Welt
, seit 2002 im Bundestag, seit 2007 promovierter Jurist und Chef des CSU-Bezirks Oberfranken,bis November 2008 CDU/CSU-Fraktionsobmann im Auswärtigen Ausschuss und Fraktionssprecher für Abrüstung und Rüstungskontrolle, danach wird er wie Phönix aus der Asche CSU-Generalsekretär und ab Februar 2009 Bundeswirtschaftsminister.
Seine Qualifikation für das Ressort besteht neben Adelstitel, dreimonatiger Erfahrung als CSU-Generalsekretär und – wie Vorgänger Michael Glos – fränkischer Herkunft in seiner Tätigkeit im Auswärtigen Ausschuss und seinem Ruf als »Amerika-Experte«. Horst Seehofer meinte schon nach seiner Wahl zum Parteichef, zu Guttenberg komme für jedes Amt in Frage. Der Verriss kommt denn auch fast zeitgleich mit der Ernennung zum Minister. »Der Freiherr – kein Erhard, nirgends«, urteilt Marc Beise in der
Süddeutschen Zeitung
. »CSU-Chef Seehofer und Bundeskanzlerin Merkel richten das einst so wichtige Wirtschaftsministerium zugrunde.« 211
Nun gereicht allerdings einem auch noch so unerfahrenen Politiker die Kritik aus der neoliberalen Gruft eher zur Ehre. Wenn also ausgerechnet Reformgenie Bernd Rürup dem Neuling »einen schweren Stand« prophezeit und die Pädagogin Christine Scheel als »Finanzexpertin« der Grünen es »führungsschwach und verantwortungslos« findet, dass CSU-Chef Seehofer »keinen ausgewiesenen Fachmann« gefunden habe, dann urteilt erwiesene über vermutete Inkompetenz.
Allerdings geht es dem »Freiherrn aus Franken« (
taz
), der sich am Telefon volksnah mit »Guttenberg« meldet, nach eigenen Worten um die »Umsetzung freimarktwirtschaftlicher Themenkomplexe«. Dabei ist
Freie Marktwirtschaft
als neues Unwort »so etwa das Letzte, was
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