Die Dilettanten
SPD, ab März 2004 ist er Bundesgeschäftsführer, 2005 leitet er den gesamten Wahlkampf. Als er kurz nach der Wahl die Abstimmung über den Generalsekretärsposten gegen Andrea Nahles mit Pauken und Trompeten verliert, schmeißt Müntefering als Parteichef beleidigt hin, verschafft aber als Arbeitsminister seinem »Ziehsohn«
(Süddeutsche)
den Versorgungsjob eines beamteten (!) Staatssekretärs, bevor er sich von 2007 bis 2008 der Pflege seiner kranken Frau widmet. Als Müntefering nach deren Tod wieder Parteiboss ist, wird Kajo wieder Geschäftsführer und erneut Wahlkampfmanager.
Wasserhövel ist die lebende Illustration des Begriffs
Parteiendemokratie
: Er übte niemals einen bürgerlichen Beruf aus, sondern arbeitet zeitlebens für die SPD. Die Partei wiederum schanzt ihm dafür einen hochdotierten Versorgungsjob zu, der ihm ein Rundumsorglosleben bis ins hohe Alter garantiert. Auch Christoph Schwennicke von der
Süddeutschen Zeitung
fällt an Wasserhövels Aufstieg »vom Kofferträger zum Koordinator« besonders auf, dass »viele in der SPD süffisant lächelndauf die groupiehafte Unterwerfung und bedingungslose Hingabe Wasserhövels an Franz Müntefering blicken«. 250
Da der »Schattenmann« (
Berliner Zeitung
) Ende 2008 seinen Staatssekretärsjob aufgibt, muss die Steuerkasse an anderer Stelle angezapft werden, und so kandidiert er für den Bundestag. Mit anderen Worten: Einmal mehr nimmt eine Politgröße, die sich wegen anderer Aufgaben sowieso kaum um den Wahlkreis kümmern kann, einem vor Tatendrang strotzenden Vertreter der Basis die Chance auf ein Mandat. Dass ausgerechnet ein »Wessi« aus dem sturzkatholischen Aachen im Wahlkreis Treptow-Köpenick gegen Gregor Gysi gewinnen will, macht die Sache nur noch skurriler.
11. Komplett inkompetent?
Niemand ist vollkommen, nicht einmal vollkommen unfähig; aber einige Politiker kommen dem erstaunlich nahe. Dabei geht es vor allem um handwerkliche Fehler der haarsträubenden Art, die unter
jedem
politischen Gesichtspunkt Fehler bleiben – und die kurz nach ihrer Festschreibung in Gesetzesform »nachgebessert« und häufig durch weitere Fehler ersetzt werden. Warum derartiger Dilettantismus, der jedem Lehrling zu Abmahnung oder Rausschmiss verhelfen würde, so lange geduldet wird, ist eine andere Frage.
Ulla Schmidt (SPD), Lehrerin, Bundesministerin für Gesundheit
Pleiten, Pech und Ulla
Ulla Schmidt, geboren am 13. Juni 1949 in Aachen, ist die ewige Azubi und immer für eine Pleite oder Panne gut.
Kurz vor dem zweiten Lehramtsstaatsexamen 1976 kandidiert sie noch schnell für den maoistischen KBW, arbeitet von 1976 bis 1990 als Sonderschullehrerin. 1983 tritt sie der SPD bei. Als ihr Ziehvater gilt ausgerechnet der damalige Aachener SPD-Chef und spätere Europa-Abgeordnete Dieter Schinzel. Ab 1989 ist Schmidt Aachener Ratsfrau, ab 1990 im Bundestag und ab 1991 im Fraktionsvorstand. Im Mai 1994 jedoch wird Mentor Schinzel mit angeblich fünf Millionen gefälschten Schweizer Franken als vermeintlicher Hehler in Aschaffenburg verhaftet. Für seine Millionenschulden aber hat Schmidt bei mehreren Banken gebürgt, denen sie nun einen Teil der Diäten, zwei Lebensversicherungen und ihren Privatwagen übereignen muss. Ab 1998 ist Schmidt Fraktionsvize für Arbeit und Soziales, Frauen, Familie und Senioren. Im Dezember 2000 schlägt der Sozialexperte der Unionsfraktion, Horst Seehofer, sie allen Ernstes als Ersatz für Arbeitsminister Walter Riester vor, ab 12. Januar 2001 ist sie Gesundheitsministerin und ab Oktober 2002 Ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, ab 2005 wieder nur für Gesundheit.
Nicht zufällig ist Ulla Schmidt ein Liebling des Kabaretts, wirkt doch ihre beispiellose Pannenserie wie eine freie Erfindung bösartiger Satiriker: Schon die Gesundheitsreform vom November 1999 gerät zur Lachnummer, weil Ulla Schmidt einen fehlerhaften Gesetzentwurf in den Bundestag einbringt, was die Abstimmung um Stunden verzögert. Auch die Gesundheitsreform vom September 2003 ist ein Paradebeispiel Schmidtscher Inkompetenz. Zwar ist sie sich mit der Union zunächst einig, den Solidargedanken zurückzudrängen zugunsten der Devise »Lieber reich und gesund als arm und krank«, oder mit Ullas schwarzem Humor: »Weniger Beiträge für alle, auch wenn auf die Patienten Zusatzkosten zukommen.« 251 Aber dann gibt’s doch eine Kampfabstimmung, und da sieben SPD-Abgeordnetetrotz Schröders mittlerweile siebter Rücktrittserpressung dem Gesetz nicht
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