Die Dilettanten
Society-Partys zu vergnügen oder auf Weinfesten im heimischen Wahlkreis feiern zu lassen, als sich als blutiger Laie in eine meist recht komplexe Materie einzuarbeiten. Und hier kommen die Helferlein aus der Wirtschaft ins Spiel. Laut Bundestags-Homepage vom März 2008 vertreten etwa 4500 Lobbyisten die Interessen von über 1900 Organisationen gegenüber Parlament und Regierung.
Zu ihrer Infrastruktur gehören nicht nur Büros rund um das Berliner Machtzentrum, sondern auch Diskussionskreise wie das
Collegium
der 30 Dax-Unternehmen, die
Junge Lobby
und der
Dreißiger Multiplikatoren-Kreis
. Von hier dringt nichts nach außen, so dass der Kontakt mit Ministeriumsmitarbeitern »intensiv gepflegt werden kann. Hier werden auch Marschrouten bei größeren Vorhaben festgelegt, Sachbündnisse geschmiedet und Kontaktnetzwerke geknüpft.« 276
Da ist es dann nur noch ein ebenso kleiner wie logischer Schritt, dass die Konzerne ihre Mitarbeiter gleich in die Ministerien entsenden.
1.1 Lobbyisten in Ministerien
Weit über hundert externe Mitarbeiter haben in Bundesministerien ihren Schreibtisch, greifen Behördeninterna ab und schreiben an Gesetzestexten mit. Ihr Einsatz dauert laut Bundesrechnungshof von wenigen Wochen bis zu fünf Jahren, zwei Drittel länger als sechs Monate. Und in mehr als 60 Prozent der Fälle tragen die obersten Bundesbehörden die Kosten gar nicht oder nur in geringem Umfang.
Grund genug für die obersten Finanzprüfer, die Bundesverwaltung vor einem zu sorglosen Einsatz von Mitarbeitern aus Verbänden und Unternehmen zu warnen und ausdrücklich auf »erhöhte Risiken von Interessenkonflikten« hinzuweisen. Dabei stellt der Rechnungshof keinesfalls den Austausch zwischen Verwaltung und Unternehmen grundsätzlich in Frage. Allerdings dürfe ein vorübergehender oder ständiger Personalmangel nicht als Ausrede für den Einsatz externer Kräfte herhalten. Zudem sollten die externen Mitarbeiter sich höchstens sechs Monate in den Ministerien herumtreiben und nicht unbedingt federführend Gesetzentwürfe formulieren oder gar »Leitungsoder Kontrollfunktionen« in den Ministerien ausüben. Ebenso sollten sie weder »ihre entsendende Stelle beaufsichtigen noch öffentliche Aufträge vergeben, noch Funktionen ausüben, die die Geschäftsinteressen ihres Arbeitgebers berühren«. Und schließlich solle – last, not least – der Status als externer Mitarbeiter intern und extern stets deutlich werden.
Der wohl folgenreichste Fall datiert aus rot-grüner Zeit: Nach
Monitor
-Recherchen hatte eine Hausjuristin des
Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI)
von Januar bis August 2003 einen eigenen Schreibtisch in der Abteilung »Nationale und Internationale Finanz- und Währungspolitik« des Ministeriums, wurde aber weiter von ihrer Firma bezahlt. Das»Heuschreckenweibchen« soll eifrig genau jenes
Investment-modernisierungsgesetz
mitformuliert haben, das den Hedgefonds, deren öffentlicher Vertrieb bis dato bei uns verboten war, den Weg auf den deutschen Markt ebnete. Entlarvende Ausrede der damaligen Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD), einer gelernten Lehrerin: »Für diese Arbeiten werden vertiefte Spezialkenntnisse aus dem Bereich des Kapitalmarkts benötigt, insbesondere um eine Einschätzung der möglichen Auswirkungen von den Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung auf die betreffenden Unternehmen und den Kapitalmarkt als Ganzes vornehmen zu können.« 277
Lobbyisten nach Ministerien
278
Bundeskanzleramt
AOK
BKK
Kreditanstalt für Wiederaufbau
Auswärtiges Amt
BDI
BP
Daimler
Deutsche Bank
DGB
DW – Media Services
EADS
E.on
Kreditanstalt für Wiederaufbau
Lufthansa
Robert-Bosch-Stiftung
SAP
Siemens
Wintershall
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Deutsche Ausgleichsbank
Deutsche Bank
Bundesministerium der Finanzen
BASF
Bundesverband Deutscher Banken
Bundesverband Investment und Asset Management (BVI)
Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB)
Deutsche Bank
Deutsche Börse
Deutsche Telekom
DZ Bank AG
Dresdner Bank
HSH Bank
IBM
Kreditanstalt für Wiederaufbau
Zentraler Kreditausschuss
Bundesministerium für Gesundheit
Bertelsmann-Stiftung
Deutsche Bank
Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB)
Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutsche Apotheker
Bundesministerium des Innern
Deutsche Bank
SAP
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
BASF
Bayer
Henkel
Bundesministerium
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