Die Dilettanten
in der
Frankfurter Rundschau
gegen den »
modernen Kapitalismus
, der das menschenfreundliche Evangelium … ins Gegenteil verkehrt und schweren sozialen und ökonomischen Schaden verursacht, indem er buchstäblich über Leichen geht. Jesus hat das Geld nicht abgeschafft, aber moralisch entwertet und das Kapital in eine klare Ordnung gestellt: es hat den Menschen zu dienen und nicht sie zu beherrschen.«
Den Sozialdemokraten verhilft er zu Schaum vor dem Mund mit der Aussage »Lafontaine war der klügste SPD-Mann« 272 , und die Polizeistaatler bringt er am Rande des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007 auf die Palme mit seiner Laudatioauf das Recht der Versammlungsfreiheit: »Wenn mich einer anfasst, dann schlage ich zurück – und wenn es ein Polizist ist, dann schlage ich zurück. Wenn ich demonstriere, dann übe ich ein Grundrecht aus, dann lasse ich mich nicht anfassen, von niemandem.« 273 Und: »Die friedlichen Demonstranten gehen auf die Straße wegen der Gewalt, die auf der Welt zehntausendfach geschieht – jeden Tag. Die Strukturen, in denen Milliarden Menschen leben müssen. Die entfesselte, brutale Wirtschaftsdynamik durch den Raubtierkapitalismus.« 274
Daraufhin fordert CDU-Mann Rainer Wend, Vizechef der Deutschen Polizeigewerkschaft, nicht nur Geißlers Parteiausschluss: »Polizeigewerkschaft droht mit Pistoleneinsatz«, titelte die
netzeitung
.
Nun könnte die Unionsführung den unliebsamen Christen einfach ignorieren und darauf vertrauen, dass ihre Klientel außer Gossenmedien sowieso nichts konsumiert und folglich Geißlers Argumente gar nicht kennt. Aber dummerweise sind eigenständiges Denken und humanistische Werte wie Seuchen, die sich unkontrolliert ausbreiten; und so empfinden immer mehr vom christlichen Menschenbild geprägte CDU-Abgeordnete wie etwa Uwe Schummer oder Norbert Röttgen die Bezeichnung »Geißler-Freund« keineswegs als Beleidigung.
Und je mehr Geißlers Einfluss auf die Köpfe steigt, desto schwieriger für den rechten Rand in der Partei: »Warum lässt die Parteiführung es zu«, fragt er, »dass einige sich besonders hervortun, wenn es gegen Minderheiten geht, seien es Sinti und Roma, Homosexuelle und Lesben oder Wehrmachtsdeserteure?« 275 Und auch die blindwütige Kritik an der Linkspartei dürfte durch Geißler zumindest ein wenig erschwert werden.
E. Von wem ist die Politik abhängig?
Ganz grob gesprochen, hat die Politik zwei Probleme: Jemand muss die Arbeit machen, zu der sie selbst ja offenbar nicht willens oder in der Lage ist, und jemand muss das Gesamtkunstwerk Politik finanzieren.
1. Wenn man nicht alles selber macht: Die Lobbyisten
Unfähige Politiker und überteuerte Würstchen als externe Berater: Dies schreit förmlich danach, dass die Wirtschaft die Dinge – sprich die Gesetzgebung – selbst in die Hand nimmt.
Eigentlich ist die enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft in einer westlichen Marktwirtschaft nicht nur nicht anstößig, sondern sogar wünschenswert. Da es bekanntlich »der Gesellschaft nur gutgeht, wenn es der Wirtschaft gutgeht«, wäre es geradezu widersinnig, würde die Politik gegen die Wirtschaft arbeiten.
Auch rechtlich sei die enge Zusammenarbeit mit den Beratern »kaum angreifbar«, sagt der Bochumer Juraprofessor Martin Burgi, der seit Jahren über die Zusammenarbeit von Staat und Unternehmensberatern forscht. »Solange das Parlament letztendlich die Entscheidung fällt, ist das nicht zu beanstanden.«
Aber das ist es ja gerade: Die Volksvertreter haben zumeist keine blasse Ahnung, worüber sie überhaupt abstimmen, nicht einmaldie Fachminister. Man denke nur an den legendären Streich des Nachrichtenmagazins
Fakt
: Im Wahlkampf 2002 präsentierte man der Finanzkoryphäe Eichel scheinheilig eine Passage aus dem CDU-Wahlprogramm als angebliche Textstelle aus dem SPD-Programm – und Eichel verteidigt das Unionskonzept mit (für seine Verhältnisse) äußerst enthusiastischen Worten. Und dieser »Experte« schafft dann im Jahr 1999 die Steuerpflicht für Unternehmensverkäufe ab, lässt die Heuschrecken ins Land und öffnet damit dem Raubtierkapitalismus Tür und Tor. Und sein Nachfolger Steinbrück preist die Heuschrecken als »wahren Segen«, kennt aber – siehe oben – nicht den Unterschied zwischen Abwicklung und Rettung einer Bank.
Aber selbst wenn jemand das geistige Rüstzeug hätte: Es ist nun einmal attraktiver, sich in Talkshows im Zank mit anderen Halbgebildeten im »Bullshitting« zu messen, auf
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