Die Dirne und der Bischof
von uns gegangen ist«, schniefte sie. Otilia nickte.
»Ja, früher hat er so etwas nicht getan - oder ich habe es nicht mitbekommen«, fügte sie hinzu.
»Trotzdem hättest du die nicht mit hierherbringen dürfen. Es muss doch eine andere Möglichkeit gegeben haben!«
»Welche? Hätte ich einen der Scharwächter fragen sollen?«
»Ja! - Nein, vielleicht besser nicht. Sie hätten ihn womöglich dem Schultheiß gemeldet, und das würde auch kein gutes Licht auf die Familie werfen.«
»Siehst du! Ich habe nur getan, was notwendig war.«
Elisabeth befreite ihren Ärmel aus Otilias Griff und nahm sich die Wurst und das Stück Käse.
»Danke, ich gehe dann jetzt besser.«
Das junge Mädchen nickte. Trotz Margrets Protest begleitete es Elisabeth zur Tür und steckte ihr noch den Heller für das Stadttor zu. Dann schloss sich das schwere Portal zu dem Stadthaus der Ratsfamilie und ließ Elisabeth allein in der nächtlichen Gasse zurück.
Langsam ging sie durch die Gassen zum Tor und dann durch die Vorstadt zum Frauenhaus. Alles war so ruhig und fried lich. Nur ein paar Katzen huschten an ihr vorüber. Als sie die Tür zum Frauenhaus aufstieß, war es ihr fast, als wäre sie für ein paar Stunden in ein anderes Leben entflohen gewesen.
Es verging kaum eine Woche, da sah Elisabeth den Ratsherrn und seine Tochter Otilia bereits wieder. Die Meisterin hatte sie zusammen mit Jeanne für ein paar Besorgungen in die Domstraße geschickt. Wie immer, wenn sie tagsüber in diesem Bereich der Stadt unterwegs waren, trugen sie unauffälligere Kleider als abends im Frauenhaus, waren durch die gelben Bänder an den Säumen jedoch unzweifelhaft zu erkennen. Jeanne schwatzte über die Besucher der vergangenen Nacht und machte sich über einen zugereisten Kaufmann lustig, der zweimal über seine eigenen Hosen gestolpert und so unglücklich kopfüber in die Binsen gefallen war, dass er sich die Nase blutig geschlagen hatte.
»So musste ich ihm erst einmal seine Nase versorgen und das Blut stillen, ehe ich mich wieder anderen männlichen Körperteilen zuwenden konnte. Und ich sage dir, so ein Schlag auf die Nase kann einem Mann die schönste Lust vergällen.« Sie kicherte, und Elisabeth lachte pflichtschuldig mit ihr.
Da sah sie die beiden. Als Erstes erkannte sie den Ratsherrn, der mit zwei anderen Männern vor dem Grünen Baum in ein eifriges Gespräch vertieft war. Jetzt, da er frisch gekleidet und rasiert mit einem feinen Hut auf dem Kopf in der Nähe des Rathauses stand, wirkte er entschlossen und imponierend und hatte nicht viel mit dem weinseligen Mann in Elisabeths Armen zu tun. Eine modisch gekleidete junge Frau trat an seine Seite. Ihr Kleid war mit Pelz besetzt, und eine schwere Kette ruhte auf ihrer Brust. Perlenschnüre schimmerten in ihrem aufgedrehten Haar. Es war Otilia. Sie wandte sich an ihren Vater, doch der hob abwehrend die Hand. Den Mund schmollend aufgeworfen, wandte sie sich ab und ließ ihren Blick gelangweilt über das Markttreiben in der Domstraße schweifen, bis er an Elisabeth und ihrer Begleiterin hängen blieb. Ein Lächeln des Erkennens erhellte ihre Miene.
Ehe sie darüber nachgedacht hatte, hob Elisabeth grüßend die Hand. In diesem Moment drehte sich der Ratsherr zu seiner Tochter um. Sie sagte etwas zu ihm, und er sah zu Elisabeth hinüber. Die Kälte in seinem Blick fuhr ihr wie eine Klinge durch die Seele. Ihre Hand fiel herab.
»Wen hast du da gegrüßt?«, wollte Jeanne wissen und sah zum Platz vor dem Rathaus hinüber. »Doch nicht etwa den Ratsherrn Maintaler?«
»Seine Tochter«, gab Elisabeth kläglich zu.
»Oh, und dabei dachte ich, Ester sei unser dummes Schaf. Komm, lass uns von hier verschwinden.« Sie zog Elisabeth mit sich. »Was hast du dir nur dabei gedacht? Solche Herren genießen unsere Vorzüge nur im Schutz der Nacht. Bei Tag existieren wir für sie gar nicht! Und für ihre Familie gibt es uns überhaupt nicht auf dieser Welt!«
»Ich weiß selbst, dass sich das nicht schickt, aber ich habe nicht darüber nachgedacht.«
Ein Schatten fiel auf sie, dann versperrte eine Gestalt ihren Weg. Die beiden Frauen wichen zurück. Es war Ratsherr Maintaler, doch so, wie er dreinschaute, hätte er auch ein Racheengel sein können.
»Dann solltest du in Zukunft über deine Handlungen nachdenken!«, donnerte er. Offensichtlich hatte er ihre letzten Worte gehört. Er griff nach ihrem Arm. »Wie kannst du es wagen, meine Tochter zu grüßen? Was wolltest du noch alles tun? Die Straße
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