Die Dirne und der Bischof
heute Nacht ein Heer vor die Mauern unserer Stadt gezogen, achttausend Mann stark, von einigen uns wohl bekannten hohen Herren geführt«, begann der Bürgermeister.
»Das wissen wir!«, schrie ein Mann aus der Menge. »Sind wir nicht deshalb aus unseren Weinbergen hierher geflohen? Was verlangen sie von uns?«
»Ja, warum sind sie hier?«, rief das Weib neben ihm.
»Ruhe!«, verlangten die Ratsherren.
»Diese Frage zu klären, haben wir sogleich Boten zu ›Unser Frauenberg‹ hinaufgeschickt, um den Bischof zu fragen. Es hat eine Weile gedauert, bis er angekleidet war und sein Mahl beendet hatte, ehe er unsere Boten zu empfangen bereit war. Er sagte zu ihnen, die Herren seien vor unsere Mauern gezogen, um uns zu befehden. Ihnen allen sei das Domstift seit Langem viel Geld und Zinsen schuldig, und nun seien sie gekommen, um ihr Gold selbst zu holen. In Frieden oder mit Gewalt, das sei ihnen gleich, doch bezahlt werden müsse jetzt.«
Ein Gewirr von Stimmen brandete über den Platz, wogte bis zu den Häusern gegenüber und schwappte wieder zurück. Die Ratsherren brauchten eine Weile, ehe sie dem Bürgermeister wieder Gehör verschaffen konnten.
»Unser Bischof Johann hat verfügt, dass gleich morgen eine Gesandtschaft aus dem Rat und dem Domstift auf die Festung kommen soll, um mit ihm zu beratschlagen, wie dieses Kriegsheer schnell wieder von unseren Mauern entfernt werden kann.«
Mehr war nicht zu erfahren. Die Männer des Rats zogen sich wieder hinter die Mauern des Grafeneckarts zurück, wohl um zu entscheiden, wer aus ihrer Mitte am nächsten Tag die Bürgerschaft beim Bischof vertreten sollte. Die Menschen warteten noch mehr als eine Stunde, ohne dass etwas geschah. Dann begann sich die Menge zu zerstreuen. Else rief ihre Schützlinge zu sich und machte sich mit ihnen auf den Heimweg.
»Da seht ihr es mal wieder«, schimpfte Marthe. »Die Domherren haben Geld verprasst, das nicht ihres war, und wir einfachen Leute sollen nun den Kopf hinhalten.«
»Es muss eine Menge sein, wenn solch ein Kriegsvolk heranrückt, um es einzutreiben«, sagte Gret verwundert. »Wozu haben sie so viel Geld gebraucht?«
»Man sagt doch immer, die Kirchenherren leben in Saus und Braus, trinken und schmausen und lassen es sich gut gehen«, erinnerte Mara.
»Ja, das stimmt schon, aber trotzdem erscheint mir das keine Summe zu erklären, die diesen Aufwand rechtfertigen würde«, mischte sich nun die Meisterin ein.
»Es ist sehr seltsam.«
»Morgen werden wir es ja erfahren. Wenn die Ratsherren vom Bischof zurückkommen. Und dann ist dieser Spuk sicher bald vorbei.« Anna gab sich zuversichtlich.
»Du bist ja noch naiver als Ester«, schimpfte Marthe.
»Vielleicht sind es gar nicht die Schulden des Stifts«, überlegte Elisabeth laut.
»Nein? Das hat der Bote aber so ausrichten lassen.«
»Man hört viele Klagen über Bischof Johann und seine verschwenderische Hofhaltung. Ich habe Gleiches nie über die Herren des Domkapitels gehört.«
»Das stimmt«, gab die Wirtin widerstrebend zu.
»Von einem der Ratsherren weiß ich, dass sich Bischof Johann zu Beginn seiner Amtszeit von Ritter Hans von Hirschhorn fünfzehntausend Gulden geliehen hat.«
»Fünfzehntausend Gulden?«, rief Else aus. Die unvorstellbare Höhe der Geldsumme verschlug selbst der Meisterin fast die Sprache.
»Ja, fünfzehntausend sagte er. Der Bischof gab vor, mit dem Geld die Stadt Kitzingen auslösen zu wollen, und brachte das Domkapitel und den Rat dazu, den Schuldbrief mit ihm gemeinsam zu siegeln. Als er das Geld dann aber in Händen hielt, verschwendete er es für seine Hoffeste, die Jagden und Turniere. Das Geld ist noch immer nicht zurückgezahlt, und auch die tausend Gulden Zins pro Jahr hat der Bischof nicht beglichen. Und obwohl der Bischof das Geld verprasst hat, kann Ritter von Hirschhorn die Rückzahlung auch von der Stadt und dem Kapitel verlangen! Was wissen wir, ob es nicht noch mehr solche Verschreibungen an all die Herren gibt, die nun mit ihren Kriegsleuten vor der Stadt lagern!« Die Frauen schwiegen ein wenig verwirrt.
»Um wie viel Geld es wohl geht?«, fragte sich Else laut. »Wenn ich so an die vielen Jahre zurückdenke, die ich mit diesem Bischof und seinem Vorgänger erlebt habe, dann sagt mir meine Erfahrung, dass wir, die Bürger und kleinen Leute, es wieder einmal sein werden, die den bitteren Tropfen auszulöffeln haben. Möge Gott uns beistehen und wenigstens dafür sorgen, dass wir mit heiler Haut
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