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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Frau. »Ich habe es allerdings stark verdünnt, damit sie vor ihrem inneren Dämon geschützt ist und lange schlafen kann.«
    Das Wort ›Hexe‹, diese wenigen Silben lösten bei Maximilian augenblicklich die dunklen Erinnerungen an vergangene Tage aus. Mit aller Macht musste er sich gegen die aufkommenden Gefühle wehren, um ihnen nicht zu verfallen.
    »Jetzt habe ich Zeit, mich dieser armen Seele in Ruhe zu nähern und ihr mit der Kraft der Medizin den Dämon auszutreiben. Danach kann sie den Rest ihres Lebens in Ruhe und Zufriedenheit verbringen.« Der Arzt wischte sich den Schweiß von der Stirn und zog ein Augenlid der Frau hoch. »Sie schläft gleich tief und fest, lass dich von ihrem Gerede nicht in die Irre führen. Ich hole mein Werkzeug und dann kannst du dich anderen Aufgaben widmen. Pass kurz auf sie auf.«
    Damit war er verschwunden, schloss jedoch die Tür hinter sich ab. Sofort stieg Beklemmung in Maximilian auf. Nur durch das vergitterte Fenster in der Tür drang Tageslicht in den Raum. Die Dunkelheit vermischte sich mit der Stille zu einer geheimnisvollen und Angst einflößenden Kulisse. Ihre Augen flackerten. Dazu das wirre Gestöhne der Frau … Maximilian lief ein Schauer über den Rücken.
    Er beugte sich über sie und hob ihren Kopf vom nackten Steinboden hoch. Anscheinend versuchte sie etwas zu sagen, halb noch in dieser Welt, halb in der des Traumes. Ganz nah musste er sich über sie beugen, damit er ihre Worte verstand. Die Geräusche waren nicht einmal mehr der Hauch eines Flüsterns, so dünn, dass der winzigste Ton sie überdecken könnte.
    »Sagt dem Vikar … sagt ihm, dass es mir leidtut.« Dann verdrehte sie die Augen und glitt völlig in einen tiefen Schlaf ab.
    Hatte Maximilian das gerade wirklich gehört? Woher kannte sie den ehrenwerten Vikar Weisen?
    Ihre Augen waren eben noch aufmerksam, klar und voller Furcht gewesen, nun aber vernebelt und trüb. Wahrscheinlich ein Fiebertraum, aufgeschnappt durch Gespräche und hervorgeholt durch die Medizin, dachte Maximilian.
    »Hat sie irgendetwas gesagt?«
    Er schrak zusammen, als die Stimme des Arztes die gespenstische Stille durchbrach.
    Er konnte Doktor Sylars Gesicht hinter dem Fenster in der Tür entdecken. Die Tür wurde geöffnet und endlich flutete wieder Licht das Verlies.
    »Nur die Worte einer Irren.«
    »Ja, das habe ich mir bereits gedacht«, entgegnete der Arzt und gesellte sich zu ihm. »Hilf mir, sie aufzurichten, wir müssen sie in die Krankenstube bringen, dort kann ich sie behandeln.«
    Nachdem die Ketten gelöst waren, hob Maximilian die Frau an. Wie hatte sie vorhin eine solche Kraft entwickeln können? Die wenigen Pfund konnte er ohne Probleme tragen. Er tat, wie ihm geheißen, und bettete sie auf eines der freien Betten neben den anderen Bedürftigen. Sofort band Sylar Lederriemen um ihre Handgelenke und stellte einen kleinen Tisch neben das Bett. Als er ein Lederetui auf der Platte aufrollte, musste Maximilian mehrmals hinsehen, um sich zu vergewissern, dass sein Verstand ihm keinen Streich spielte.
    Verschiedene Messer, dünne und dicke Rohre, Geräte aller Art lagen fein säuberlich aufgereiht nebeneinander. Vieles davon hatte er noch nie gesehen und er musste der Versuchung widerstehen, sie zu berühren.
    »Das sieht etwas wild aus«, erklärte Sylar, als er seinen Blick bemerkte. »Ist aber die einzige Lösung. Hab vielen Dank, junger Freund«, sagte er, während er den Kopf der Frau mit einem weiteren Gurt fixierte.
    »Was macht Ihr mit den ganzen Geräten?«
    Sichtlich angestrengt ächzte der Arzt. »Die meisten Dämonen sitzen im Kopf, das Übel muss an der Wurzel angepackt werden. Den Rest schaffe ich alleine. Du kannst essen gehen.«
    Momente vergingen, in denen sich Maximilian nicht losreißen konnte. Endlich gehorchte ihm sein Körper wieder und er verließ die Krankenstube, um zum Speisesaal zu gehen. Doch die Frau, ihr Ausdruck und das flehende Bitten wollten seine Gedanken einfach nicht verlassen.

Kapitel 7
- Flucht von dieser Welt -

    Die Tränen kamen in der Nacht.
    Als die Sonne abends ihre ewige Schlacht mit dem Mond erneut verloren hatte und Dunkelheit sich über die Felder legte, schluchzte im Inneren des Wagens eine einsame Frauenstimme.
    Sie war nur zum Essen aus dem Wagen gekommen und für das abendliche Bad, bei dem Bela ihre Haare kräftig einschäumte und ihren Kopf so wundervoll massierte, dass sie sich tatsächlich für ein paar Minuten entspannen konnte. Doch als die Nacht hereinbrach

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