Die Dirne vom Niederrhein
wandte sich Elisabeth im Flüsterton an Bela. »Ich habe dich noch nie in einen der Wagen gehen sehen, doch jeder der Soldaten scheint ein Auge auf dich geworfen zu haben.«
Ein scheues Lächeln huschte über Belas Gesicht. »Vor einiger Zeit war das noch anders«, wisperte sie in das Feuer hinein. »Oftmals bot ich meine Dienste bis zum Morgengrauen an, so viele Freier galt es glücklich zu machen. Als Major von Rosen eines Nachts Mutter Rosi einen Besuch abstattete, veränderte sich alles. Er bezahlte mich direkt für die ganze Woche, damit ich niemand anderem meine Dienste anbieten konnte. Allerdings erschien er nur zweimal in diesen Tagen. In der Woche darauf löhnte er für den ganzen Monat, dann für das nächste halbe Jahr. Es gab einen Streit mit Mutter Rosi, er bestand darauf, dass niemand anderer mich mehr beschmutzen durfte.«
Zum zweiten Mal legte Elisabeth die Hand auf Belas Schulter, diesmal zum Zeichen ihrer Freude für das Mädchen.
»Das ist doch großartig, du bekommst Geld und musst lediglich mit einem Mann … du weißt schon …«
Belas Gesicht glich einer Maske aus Stein und ihre Stimme war nur noch ein Wispern. »Du kennst ihn nicht«, hauchte sie. »Hast ihn nicht erlebt, wenn er wütend ist. Als einer seiner Offiziere ihm zuvorkam und mich für eine ganze Woche bezahlte, war der am nächsten Tag tot. Angeblich ein Unfall, der Tritt eines Pferdes. Doch so recht glaubt niemand an diese Geschichte.«
Elisabeth atmete tief ein. Sie kannte diese Art von Männern. Besitzergreifende Monster, die alles beherrschen wollten.
Als würden die Gedanken Realität werden und ein drohendes Unheil seinen Weg hierher finden, entfernten sich etliche Männer von Rosis Tisch. Innerhalb weniger Momente verwaiste der Platz. Wären sie nicht bereits von Finsternis umgeben, würde nun eine dunkle Wolke aufziehen, dachte Elisabeth.
»Er ist da«, hauchte Bela in ihr Ohr. Das Mädchen versteckte sich hinter Elisabeth, einer Maus gleich, die Schutz vor einer sie peinigenden Katze sucht.
Flankiert von schwerbewaffneten Soldaten bahnte sich ein grimmig dreinblickender Mann seinen Weg durch die umstehenden Männer. Die zu einem Scheitel gekämmten Haare bewegten sich keinen Zoll, als er sich mit stampfenden Schritten Rosis Tisch näherte. Das Feuer ließ die Narben in seinem Gesicht weiß aufleuchten, und immer, wenn ein Soldat ihm nicht schnell genug aus dem Weg ging, zuckte sein Oberlippenbart bedrohlich. Ihn umwehte die Aura der alles auffressenden Angst wie ein dunkler Umhang, und die vormals ausgelassene Stimmung der Frauen wich furchtsamer Stille.
Nur Rosi schien das nicht zu beeindrucken. Ruhig stand sie auf und legte die Fingerspitzen aufeinander. »Ich wünsche Euch einen guten Abend, Herr Major von Rosen. Es freut mich sehr, dass Ihr den Weg zu uns gefunden habt.«
»Wo ist sie?«, raunte er mit tiefer Stimme.
»Wo ist wer?«, wollte Rosi süßlich wissen und setzte ihr perfektes Lächeln auf.
»Na, wer wohl? Mein Mädchen!«
Rosi ging einige Schritte auf ihn zu. Obwohl sie zu dem groß gewachsenen Mann aufblicken musste, konnte sie es durchaus mit dem feurigen Blick seiner Augen aufnehmen.
»Werter Major von Rosen, Ihr meint wohl mein Mädchen. Auch wenn Ihr die Güte und Weitsicht hattet, Euch die Dienste der jungen Bela für ein halbes Jahr zu sichern, ist sie dennoch mein Mädchen.« Ihre Stimme wurde eine Nuance leiser. »Ich werde niemanden gegen seinen Willen hier behalten. Das war auch Teil unserer Abmachung.« Sich der vollen Aufmerksamkeit des Majors bewusst, ließ sie sich Zeit, um hinter ihrem Tisch Platz zu nehmen. »Allerdings bekommt Ihr dann natürlich Euer Geld zurück, zumindest für den Rest der Zeit.«
Die Ader an der Schläfe des Mannes trat hervor, sein Gesicht färbte sich rot vor Zorn. Doch Rosi hielt seinem Blick stand.
»Ich will sie sehen«, spie der Major.
»Aber natürlich doch. Wenn Ihr mir bitte folgen würdet.«
Gemächlich erhob sie sich und schritt zu Elisabeth und Bela; der Major folgte mit wuchtigen Schritten. Kurz bevor sie das Wort an das junge Mädchen richten konnte, legte Major von Rosen seine riesige Hand auf Rosis Schulter. Seine Stimme war laut und eine einzige Drohung. »Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen und ich werde euch alle verbrennen lassen. Genieß deine derzeitige Macht, Hurenmutter. Sie wird nicht mehr allzu lange währen.«
Erst jetzt drehte Rosi sich um. »Verehrter Herr von Rosen, ich bin mir sicher, dass sie so lange andauern wird, wie
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