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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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mich nicht zu ihnen zurück.«
    Maximilians Kopf schreckte nach oben. Zwischen Hundegebell und lauten Rufen machte er die Stimme des Mannes aus, der ihm diesen Auftrag erteilt hatte. Der Vikar war hier!
    Er musste eine ganze Meute aufgestachelt haben. Aufgeschreckt konnte die Frau den Dolch beiseitestoßen und Maximilian einen Schlag auf die Nase verpassen. Er taumelte zurück, sodass sie ihn von sich drücken konnte. Schnell war sie auf den Beinen, nur ein Handgelenk bekam Maximilian noch zu fassen.
    »Bitte«, flehte sie. »Bitte, lass mich gehen.«
    Er zögerte. Sollte er nicht den Dolch in sie bohren? Was interessierten ihn die Worte einer Irren? Und doch war sein Argwohn geweckt. Maximilians Griff lockerte sich zögerlich.
    »Was will der Vikar? Was sollen deine Worte bedeuten?«
    Die Stimmen kamen näher. Nur noch wenige Augenblicke und niemand könnte das Bauernhaus mehr ungesehen verlassen.
    Ihre Hand begann zu zittern. »Bitte, lass mich gehen, studiere seine Bücher. Dort ist alles aufgezeichnet.«
    Maximilian warf einen Blick aus dem Fenster. Fackeln erhellten die Nacht, es mussten Dutzende Männer sein, die hierher unterwegs waren. Schließlich ließ er das Mädchen frei.
    Kurz trafen sich ihre Blicke. Fast tonlos hauchte sie ein »Danke« und stürzte die Treppe hinunter.
    Mit halb geöffneten Mund dachte er über ihre Worte nach.
    Konnten sie wirklich wahr sein? Hatten sein Hass auf sich und der Zorn, der ihn wie eine dunkle Wolke umgab, seinen Verstand so sehr vernebelt? Er nahm sich vor, seine eigenen Gefühle und Gedanken ab jetzt zu überprüfen.
    Ungelenk stand er auf. Erst jetzt spürte er, dass warmes Blut seine Stirn hinunterfloss und die Wunde am Handgelenk fürchterlich pochte. Hastig löste er den Verband und betrachtete den Schnitt. Die Verletzung war genau an der Stelle gelegen, wo er eingestochen hatte. Er rieb etwas von seinem Blut auf die Klinge. Anschließend ging er tief in seine Überlegungen versunken die Treppe hinunter.
    Der Vikar erwartete von ihm das Mädchen oder dessen Leiche. Sicherlich wäre sein Argwohn geweckt, wenn er nichts davon zu Gesicht bekäme. Maximilian löste einige Bretter, mit denen die Vordertür zugenagelt war. Das Licht des Mondes legte sich fahl auf die weißen Gesichter der Leichen. Maximilians Augen suchten hastig den Raum ab. Endlich erspähte er eine ausgemergelte Frauenleiche. Sie war nicht stark verwest, lag sicher erst wenige Tage hier. Der Farbton ihrer Haare stimmte, jedoch wies das Gesicht keine Ähnlichkeit mit dem des Mädchen auf. Mit jedem Atemzug, bei dem sich der beißende Gestank in seiner Lunge ausbreitete, kamen die Männer näher. Kurz entschlossen griff er sich ein Holzbrett und drosch mehrmals mit voller Wucht auf das Gesicht der Leiche ein. Moral und Ekel wischte er beiseite. Solche Gefühle waren schlechte Gefährten in dieser Zeit und konnten zu tödlichen Beratern werden. Obwohl sich jede Faser seines Körpers wehrte, ließ er immer wieder das Holz krachend auf das Gesicht der Frau niedersausen, bis von ihren Zügen nichts mehr zu erkennen war. Nach wenigen Herzschlägen schleifte er die entstellte Gestalt über die Schwelle der Vordertür und ging dem Vikar entgegen.
    Dieser erwartete ihn bereits. Tatsächlich hatte er ein gutes Dutzend Männer herbeigerufen. Mistgabeln und Säbel wurden kampfeslustig in die Höhe gereckt. Rufe nach dem Tod des Dämons hallten in der Nacht wider.
    »Da ist ja unsere gute Seele«, rief der Vikar laut und schritt auf Maximilian zu. Als er sich zu den Männern umdrehte, verstummten ihre Rufe. »Sag, mein Freund, hast du sie gefunden?« Die Augen des Vikars waren riesig, die Fackeln ließen seine Pupillen glühen, als würde in ihnen ein Feuer brennen.
    Maximilian erhob die vom Blut rot gezeichnete Klinge. »Dieser Hof ist voller Leichen. Und nun beherbergt er eine mehr. Ich musste leider grob zu ihr sein.« Mit einer Handbewegung deutete er in Richtung der Tür.
    Gebannt schritt der Vikar auf den Hof zu. Dabei zückte er ein Tuch und hielt es schützend vor Mund und Nase.
    Maximilian stockte der Atem. Wenn seine List auffliegen würde, wäre ihm der Tod gewiss.
    Aus sicherer Entfernung beäugte der Vikar die Leiche auf der Türschwelle des Bauernhofs. Jeder konnte sehen, dass er zwischen unendlicher Abscheu und regem Interesse schwankte, als er sich nach vorn beugte. Endlich drehte er sich um. »Der Dämon ist nicht mehr!«
    Während die Männer in Jubel ausbrachen, kam der Vikar schleunigst zu

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