Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
Vom Netzwerk:
nichts mehr, was sich zu stehlen lohnte.
    Ein Bauernhof lag etwas abseits vom Stadtkern, einen Steinwurf entfernt. Das musste er sein. Maximilian verlangsamte seine Schritte und holte mehrmals tief Luft, bevor er sich dem Gebäude von hinten näherte. Das Gras kitzelte an seinen Fußsohlen, er schlich leise und in gebückter Haltung, bis er den Hintereingang erreichte.
    Dieser Ort war tot. Eine unheimliche Ausstrahlung und eine finstere Aura hatten sich dieses Areals bemächtigt, fast als läge die knöchrige Hand des Sterbens auf diesem Stück Land. Hier wurde kein Feld mehr bestellt, kein Vieh mehr gemästet und kein Essen mehr zubereitet. Nur das kaum vernehmbare Fiepen der Mäuse kündete davon, dass es noch Leben gab. Maximilian umfasste den Griff des Dolches fester. Die Klinge blitzte im Mondschein auf, als er der Holztür einen leichten Stoß versetzte und den ersten Schritt in das knarrende Gebäude machte. Übler Gestank nahm ihm fast die Luft zum Atmen. Wind kam auf und schien mit dem Bauernhof zu spielen, wiegte lose Holzbretter hin und her und ließ sie gegeneinanderschlagen. Obwohl sich aufgrund dieser gespenstischen Kulisse Unbehagen in Maximilians Körper fraß, ging er weiter.
    Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Was war das? Soldaten, die sich einen Unterschlupf für die Nacht suchten? Vagabunden, die diesen Ort als Versteck nutzen? Würde er ihnen begegnen, war der Ausgang dieser Nacht ungewiss. Es war für ihn unvorstellbar, dass irgendjemand freiwillig hier sein könnte. Eine schreckliche Macht hatte sich diesen Ort zum Untertan gemacht, konnte man doch im Haus seine eigene Hand vor Augen nicht erkennen. Dieser Hof schluckte das Licht und gleichzeitig jeden glücklichen Gedanken. Unter seinen Füßen fühlte er Steine, Sand und einige scharfe Gegenstände. Plötzlich wurde der Boden ganz weich. Fliegen schwirrten um seinen Kopf herum, waren allgegenwärtig, und dann dieser Gestank. Noch schlimmer als in der Krankenstube und allzu bekannt. Vorsichtig löste er ein paar Holzbretter von der Wand, um zu sehen, wo er hintrat. Endlich war er nicht mehr inmitten der alles verschlingenden Dunkelheit.
    Maximilians Augen weiteten sich. Das ganze Erdgeschoss war voller Leichen. Er sah offene Höhlen ohne Augen, von Ratten und Ungeziefer übersät. Die schrecklich verdrehten Gliedmaßen der Männer und Frauen türmten sich zu einem Berg. Jetzt erst brach die Erinnerung durch und er wusste, warum ihm dieser Geruch bekannt vorkam. So hatte es im Krieg gerochen, als die toten Soldaten auf einen großen Haufen geworfen und anschließend verbrannt wurden. Er ignorierte Abscheu und Ekel, versuchte einen Durchgang ins obere Stockwerk zu finden, wo er das Geräusch ausgemacht hatte. Ein Scheppern ließ ihn herumfahren.
    Alte Töpfe klackerten aneinander. Langsam näherte er sich und hob den Dolch, bereit, jeden Moment zuzustechen. Er hörte ein Fauchen und als er zurücktaumelte, spürte er einen Luftzug an seinen Beinen. Maximilian atmete auf. Nur eine Katze, die ihn anfunkelte und sich ihren Weg aus dem Haus hinaus suchte. Vor wenigen Augenblicken hatte er noch gedacht, dieser Ort sei tot, aber nun schien sich alles zu bewegen. Hätte er doch nur eine Fackel mitgenommen.
    Ein gleichmäßiges Knacken erfüllte den Raum, als er die morsche Treppe hochschlich. Der Wind spielte mit dem Bauernhof ein geheimnisvolles Lied und er war mittendrin, in den Anfangslauten.
    Hier oben konnte er endlich Umrisse erkennen. Das Dach war flach, sodass er seinen Weg nur geduckt fortsetzen konnte. Unzählige Bretter, Steine und Nischen waren hier zu finden. Es schien Dutzende von Verstecken zu geben. Behutsam machte er einen Schritt nach dem anderen, versuchte, den ganzen Raum zu überblicken. Erneut drang das Geräusch an seine Ohren. Es kam aus dem hinteren Teil des Raums.
    »Ich will dir helfen«, sagte er laut und versuchte dabei, überzeugend zu klingen. »Du brauchst deine Medizin.«
    Erneut dieses Klacken. Jetzt hatte er Gewissheit. Bedächtig näherte er sich einem alten Ofen, der scheinbar nur aus zusammengestellten Einzelteilen bestand. Dort kamen die Geräusche her, dessen war er sich sicher. Mit einem Sprung um die Ecke wollte er das Mädchen stellen, es überraschen. Doch als er mit erhobenem Dolch eine leere Ecke bedrohte und dort nichts zu finden war außer zwei Holzbalken, die aneinanderschlugen, ließ er die Waffe sinken.
    Belustigt über sich schüttelte Maximilian den Kopf.
    »Beim Allmächtigen, was ist das für

Weitere Kostenlose Bücher