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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Hexenwe…«
    Seinen Satz beenden konnte er nicht mehr. Eine Eisenstange traf ihn so hart am Kopf, dass er taumelte und das Gleichgewicht verlor. Aus einer Nische hastete das Mädchen zur Treppe. Im hereinfallenden Mondlicht wirkte das Blut an ihrer Schläfe wie Pech. Sie war schwer gezeichnet und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ruckartig stand Maximilian auf, eilte ihr nach und stürzte sich auf sie. Sie schrie, wehrte sich aus Leibeskräften. Obwohl ihre Arme dünn und ausgemergelt waren, schlug sie mit einer Kraft, wie sie Sterbende im Todeskampf haben, wild um sich.
    »Bleib ruhig!«, brüllte Maximilian und versuchte ihre Arme festzuhalten. Mit seinem ganzen Gewicht setzte er sich auf ihren Oberkörper. Es war ihm endlich gelungen, sie beinahe zu fixieren, als er im letzten Moment etwas im Mondlicht aufblitzen sah. Ein altes Messer sauste dicht an seinem Hals vorbei und schnitt tief in den Verband seines Arms. Der weiße Leinenstoff färbte sich augenblicklich rot und in ihm kochte die Wut hoch. Mit der Faust schlug er ihr das Messer aus der Hand. Seine Zähne mahlten zornig aufeinander, als er ihre Gelenke mit einer Hand packte, sie auf den Boden donnerte und mit der anderen die Klinge des Dolches an ihren Hals drückte.
    »Noch eine Bewegung, Dämon, und ich werde dich töten.«
    Endlich hörten die Befreiungsversuche der Frau auf. Ihr Blick schnellte abwechselnd vom Dolch zu Maximilian und zurück.
    »Du wirst jetzt mit mir zur Abtei kommen. Dort erhältst du deine Medizin. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du nicht versuchen würdest zu flüchten, ansonsten habe ich den Auftrag, dir den Garaus zu machen.«
    Das Mädchen fixierte ihn, ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Ihr Blick war fest und brannte vor Zorn, ihre Stimme jedoch zitterte wie Espenlaub. »Dann tu es lieber jetzt. Zurückgehen werde ich nicht. Sag dem Vikar, dass ich nicht weiß, was mein Fehler war und dass ich für seine Seele beten werden.« Eine Träne rollte über ihre Wange. »Sag ihm, dass es mir leidtut.«
    Maximilian war verblüfft. Er hatte mit Beschimpfungen gerechnet, in einer Sprache, die er nicht verstand, oder damit, dass ein Dämon aus ihren Augen herausfuhr, doch unter ihm lag nur ein verängstigtes Mädchen, bereit zu sterben.
    »Was tut dir leid?«
    »Warum interessiert dich das?«, schluchzte sie.
    »Ich muss wenigstens wissen, warum ich dich töten soll.«
    Einen Moment lang versank sie in ihren Gedanken. Sie blickte ihn zwar an, schien jedoch durch ihn hindurchzusehen.
    »Dass ich ihm anscheinend nicht genug war und … sein Handeln infrage stellte.«
    Die Kraft des Mädchens schwand und Tränen flossen wie Bäche aus ihren Augen.
    »Wie heißt du?«, wollte Maximilian wissen.
    »Amelie.«
    Es war, als hätte ihn der Schlag getroffen. Sie trug denselben Namen wie seine Schwester. Das kleine Mädchen, das er mit seiner Familie zurückgelassen hatte, als er aus Kempen floh.
    »Was willst du damit sagen, dass du ihm nicht genug warst? Was musstest du für ihn tun, Amelie?«
    Vor Scham wandte sie sich ab. Sie benötige einige Sekunden der Überwindung. »Ich habe Unzucht getrieben mit einem Mann Gottes.«
    »Du und der Vikar? Das glaube ich dir nicht«, schnaubte Maximilian abfällig. »Er ist ein guter Mann, der nur das Beste für die Abtei will.«
    »Die Abtei liegt ihm nicht am Herzen«, zischte sie voller Zorn. »Nichts ist ihm heilig. Er will etwas anderes, etwas größeres. Die Abtei ist für ihn allein Mittel zum Zweck. Wirf einen Blick in seine Bücher und du wirst verstehen. Dort notiert er alles.«
    Maximilians Griff löste sich langsam, er hielt den Dolch aber weiterhin fest an ihre Kehle gedrückt.
    »Ich machte den Fehler, es verraten zu wollen. Daraufhin übergab er mich dem Arzt«, ihre Worte verloren sich in der Dunkelheit. Es dauerte, bis sie die Kraft fand, weiterzureden. »In der Nacht bringt der Doktor die Menschen zum Schweigen. Er kommt mit seinen Werkzeugen, und wenn er fertig ist, sind sie lebende Leichen. Ich hörte ihre Schreie, ihr Wehklagen, bis Ruhe die Krankenstube erfüllte.«
    Vorsichtig richtete er sich auf, ließ die Arme des Mädchens los. War er nicht gewarnt worden? Wurde ihm nicht vor einiger Zeit noch eingebläut, dass ihre Worte tückisch und voller Lügen seien? Und trotzdem, irgendetwas in ihren Augen, in ihrer Stimme, ließ ihn nachdenken.
    »Du lügst«, sagte er nach einiger Zeit ohne Überzeugung. »Nichts von alledem ist wahr.«
    »Dann zieh die Klinge durch, aber bring

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