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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Maximilian, warum der Vikar die Geschicke des Klosters leiten sollte und nicht Schwester Agathe. »Ich würde mich für die Armee entscheiden, bei der die beste Versorgung gewährleistet ist, bei der ich den meisten Sold bekomme und eine Chance habe, zu überleben.«
    Vikar Weisen bedachte Maximilians Schlussfolgerung mit einem Augenzwinkern. »Du siehst, sogar aus hoffnungslosen Lagen kann man noch einen Gewinn schöpfen, und zwar für alle Beteiligten. Major von Rosen wird also die Verwundeten hierhin bringen lassen. Wir versorgen sie, dass stärkt wiederum die Moral seiner Leute und den Zustrom an weiteren Freiwilligen für seine Truppe. Zusätzlich kann Doktor Sylar seine Fähigkeiten erproben und wir bekommen Geld für jeden Verwundeten, den wir aufnehmen.«
    »Unterstützen wir dadurch nicht den Feind?«, wollte Maximilian wissen.
    Einige Sekunden ließ sich der Vikar Zeit mit seiner Antwort. Laut hörbar atmete er aus. »Wir können nicht alle retten. Hin und wieder muss man Gott sein Werk machen lassen. Man darf seinen Plan nicht infrage stellen.«
    »Mit anderen Worten: schweigen und weggucken?«
    Ein nachdenkliches Lächeln umspielte die Lippen des Vikars. Er nickte zaghaft und ließ sich mit verschränkten Armen hinter seinem Schreibtisch nieder. »Wir sollten versuchen, so viele Menschenleben zu retten, wie es in unserer Macht steht. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchen Reihen die armen Wesen stammen, die vom Krieg gebeutelt und verwundet zu uns kommen. Außerdem bezahlt uns die Kurie für die Behandlung und, wie dir bereits bekannt sein dürfte, können wir das Geld beileibe gebrauchen. Auf diesem Wege schützen wir die Stadt, sollte Major von Rosen hier seine Residenz aufschlagen.«
    Jetzt ließ sich auch Maximilian auf die knarrende Holzbank fallen. Dieser Mann besaß eine Weitsicht, wie er sie gerne sein Eigen nennen würde. Vielleicht wäre ihm viel Leid erspart geblieben und Lorenz wäre noch am Leben, besäße er ansatzweise Vikar Weisens Blick für das Wesentliche. Vielleicht wäre seinem Bruder dieses schreckliche Schicksal nicht zuteil geworden. Doch er hatte mit hoch erhobenem Säbel dem Feind die Stirn geboten, anstatt nachzudenken. Vielleicht …
    Er verbat sich weitere Gedanken.
    Maximilian zuckte zusammen, als Doktor Sylar, ohne anzuklopfen, in den Raum stürmte. Der kleine Mann atmete schnell, sein Gesicht war puterrot, er wirkte euphorisch. »Hast du eine Antwort erhalten?«, wollte er ohne Umschweife wissen. Erst dann fiel sein Blick auf Maximilian. »Oh, ich wusste nicht, Verzeihung. Vielleicht sollten wir …«
    »Nein, nein«, warf der Vikar ein. »Ich habe keine Geheimnisse vor dem jungen Mann. Glaub mir, Rolf. Er trägt das Herz am rechten Fleck und ist auf unserer Seite.«
    Noch ein wenig verunsichert tupfte sich der Arzt die schweißbedeckte Stirn.
    Der Anblick des Mannes löste bei Maximilian beinahe Erheiterung aus. Nach wenigen Schritten war Sylar bereits außer Atem und sein Kopf derart rot, dass man Angst um den Doktor haben musste. Er arbeitete bis tief in die Nacht, schlief teilweise tagelang nicht, wenn er einen besonders interessanten Fall auf der Bare liegen hatte. Seine Aufzeichnungen waren ihm dabei heilig und er gönnte sich keine Ruhe, bis die letzte Einzelheit verzeichnet war, nur um die Prozedur von Neuem zu beginnen.
    »Du wirst recht haben«, sagte Sylar und reinigte seine Brille. »Hat er geantwortet?«
    »Maximilian und ich sprachen gerade darüber. Tatsächlich hat Major von Rosen einen Boten geschickt. Er wird unserem Vorschlag folgen. Du wirst also eine große Menge an Patienten erhalten, die deiner Aufmerksamkeit bedürfen.«
    Während er sich Luft zufächelte, ließ Doktor Sylar sich freudestrahlend in den Stuhl sinken. »Großartig«, murmelte er hastig. »Das ist atemberaubend. Ich arbeite gerade an einer medizinischen Sensation. Noch einige Experimente und ich bin in der Lage, den Schmerz der Menschen zu heilen, ihn vielleicht für immer aus der Seele zu vertreiben. Nur noch ein paar kräftige Soldaten, ein paar gesunde Frauen, welche die richtigen Voraussetzungen mitbringen und …«
    »Ist ja gut, Rolf«, lachte der Vikar, erhob sich und klopfte seinem alten Freund auf die Schulter. »In wenigen Tagen wirst du das bekommen, nach dem du dich gesehnt hast.« Der Vikar lehnte sich zu dem Mann so weit herab, dass Maximilian nur mit großer Mühe seine Worte verstehen konnte. »Und es dauert nicht mehr lange, dann werde ich das bekommen, wonach ich

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