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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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sie nicht verraten.«
    Die Reue riss Elisabeth auf die Knie. Auch wenn sie ihn hasste, seine Worte entsprachen der Wahrheit.
    »Dann sind wir Verräter ja in guter Gesellschaft«, sagte sie leise. »Trauert Ihr nicht?«
    Der Hauptmann blickte sie an. »Trauerst du?«
    »Natürlich. Jeden Tag, es zerreißt mich bei lebendigem Leibe.«
    Langsam nahm er die Flasche wieder an sich und trank mit schnellen Schlucken. »Der schwere Wein hilft, zu vergessen.«
    Sie ließen einen Moment der Stille verstreichen, als Elisabeth ebenfalls einen Schluck nahm. Bitter legte sich der Wein auf ihre Zunge.
    »Ihr wisst, dass Ihr gefährlich lebt? Major von Rosen will die Huren töten und mit ihnen jeden, der sich ihm in den Weg stellt.« Ihre Blicke trafen sich.
    »Somit auch Euch. Warum helft Ihr Rosi und ihrem Tross?«
    »Zu etwas muss ich ja nütze sein«, antwortete er. »Der Tod ist für mich keine Bedrohung. Eigentlich müsste ich längst unter der Erde liegen. Dass von Rosen mich lieber heute als morgen tot sehen will, ist mir durchaus bewusst. Ich rechne jede Nacht damit, dass er seinen Steigbügelhalter Bayer schickt, um mir einen Dolch in die Brust zu rammen«, keuchte er, nahm von Elisabeth die Flasche und trank. »Rosi und die anderen Frauen versuchen nur, durch den Krieg zu kommen. Sie ist eine kluge Frau und kann die Gefahren einschätzen. Glaub mir, sie ist längst im Bilde. Ihr Geschäft ist das einzig ehrliche, das zu dieser Zeit noch bleibt.«. Ächzend lehnte sich der Hauptmann zu ihr herüber. »Außerdem gefällt mir der Gedanke, dem Major eins auszuwischen.«
    Daraufhin lachten sie beide leise und der Hauptmann ließ sich nach hinten fallen. Nur wenige Sekunden dauerte es, bis er erneut eingeschlafen war. Elisabeth kostete ein letztes Mal vom Wein, zog die Decke über ihren Kopf und suchte sich so schnell es ging einen Weg zurück zur Wagenburg.
    Der Krieg forderte viele Opfer. Einige wandelten noch auf der Erde. Lebendige Leichen – wie der Hauptmann eine war. Er hatte zu viel gesehen, zu viel erlebt, als dass er noch ein normales Leben führen könnte. Für andere hingegen war es noch nicht zu spät. Rosi musste über die neuerlichen Geschehnisse informiert werden. Vielleicht könnten sie flüchten, am besten noch in dieser Nacht.
    Doch als Elisabeth an Rosis Bett kniete und alle Einzelheiten, die ihre Erinnerungen noch preisgaben, wiedergab, lachte die Hurenmutter. Voller Gelassenheit streichelte sie Elisabeths Gesicht.
    »Ich weiß, Kindchen«, flüsterte sie leise, um die anderen Frauen nicht zu wecken. »Wir können weder heute noch morgen aufbrechen, wir haben eine ganze Armee gegen uns. Also müssen wir den richtigen Zeitpunkt abwarten. Glaub mir, nicht einmal das Feuer der Hölle brennt so heiß wie der Hass eines verschmähten Mannes.«
    Elisabeth verstand die Worte nicht, versuchte erneut, Rosi umzustimmen. Wie konnte sie hier bleiben, wo ein schrecklicher Tod den Frauen gewiss war?
    Rosi schüttelte den Kopf. »Keine Widerrede, wir müssen dieses Spiel weiterspielen. Das ist unsere einzige Chance, zu überleben.«
    Ihre laute Stimme riss einige der Frauen aus dem Schlaf. Sie mussten einen Moment warten, bis sie wieder zur Ruhe gefunden hatten. Noch bevor Elisabeth etwas sagen konnte, legte Rosi den Finger auf ihre Lippen.
    »Kein Wort mehr. Schwöre mir, dass du alles, was du gehört und gesehen hast, sofort vergisst. Wenn der richtige Moment gekommen ist, werden wir ihn nutzen. Das verspreche ich dir. Ich trage die Verantwortung für diese Mädchen und ich werde sie beschützen.« Rosi drückte Elisabeths Hand. Sie war warm. Am liebsten hätte Elisabeth sie die ganze Nacht gehalten. Mit einem Augenzwinkern zog Rosi die Decke über ihren fülligen Körper. »Und wenn ich es nicht schaffe, musst du die Frauen in Sicherheit bringen. Versprich mir das, Kleines.«
    Elisabeth nickte. »Ich verspreche es, Mutter Rosi.«
    »Gut, und jetzt kümmere dich um Bela, spende ihr Trost in dieser dunklen Nacht.«
    Hunderte von Gedanken schossen auf einmal durch ihren Verstand, als sie sich neben Bela legte. Augenblicklich kuschelte sich das Mädchen an sie. Obwohl die Bitte Rosis bestimmt nicht ernst gemeint war und sie keinen Zweifel daran hatte, dass die Hurenmutter sie aus dieser Lage befreien würde, so war doch etwas in Elisabeth geweckt worden. Auch wenn Rosi Elisabeths Versprechen bestimmt nicht als bindend ansah, sie tat genau das.
    Als die ersten Sonnenstrahlen den Tag ankündigten, schlief sie endlich ein,

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