Die Dirne vom Niederrhein
grüne Umhänge.«
Das Mädchen nickte eifrig und tat, wie ihm geheißen. Geschickt verbargen sie sich vor den Blicken der anderen Frauen und machten einen kleinen Bogen, damit niemand sie sehen konnte. Die Anspannung wuchs mit jedem Zoll, den sie sich langsam vom Lager entfernten. Unter ihren nackten Füßen spürten sie weiches Moos.
Als sie die ersten Schritte in das Dickicht setzten, fiel ihnen das Atmen leichter, als wäre die Luft gefiltert. Trotzdem lag eine bedrückende Stille über ihnen, hier und da knackte ein Ast, einige Waldtiere nahmen Reißaus und ihr Geraschel war kurzzeitig überall zu hören. Aus der Zeit, als sie in den Wäldern übernachtet hatte, wusste Elisabeth, dass es hier merklich kühler war. Kurz fanden die Erinnerungen den Weg zurück in ihren Geist. Doch sie erlaubte sich keine weiteren Überlegungen und verdrängte sie.
»Wirf den Umhang über und eile dich«, sagte sie leise zu Bela.
Ihre Gesichter waren unter dem dunklen Grün kaum mehr zu erkennen, als sie sich langsam der Lichtung näherten, von der der Leutnant gesprochen haben musste. Sie suchten sich eine höhere Position, von wo aus sie die gesamte Fläche gut überblicken konnten, und kauerten sich auf die Erde. Der Boden war weich und feucht, sein Duft drang in Elisabeth Nase.
»Eli, ich glaube, unter mir krabbelt etwas …«
»Sch«, flüsterte Elisabeth und hielt Belas Hand. »Sei still. Schau, da ist Mutter Rosi.«
Die Hurenmutter erreichte soeben den Waldschlag. Sie setzte sich auf einen der Baumstümpfe und ließ argwöhnisch ihren Blick schweifen.
»Da ist niemand«, zischte Elisabeth und hielt, ohne es zu wollen, die Hand Belas fester.
»Doch, dort.«
Vom entgegengesetzten Ende der Lichtung näherte sich Hauptmann Falkensted mit zweien seiner Männer. Diese Gesichter kannte Elisabeth, auch sie hatten in der Kempener Stadtwache gedient. Überrascht breitete der Mann die Arme aus.
»Roswitha, was kann ich für Euch tun?«
Allein dieser Satz ließ das Blut in Elisabeths Adern gefrieren. Wie konnte er nicht wissen …?
»Ihr habt mich rufen lassen. Leutnant Bayer brachte mir die Botschaft, dass Ihr mich hier sehen wollt«, entgegnete Rosi voller Verwunderung und erhob sich. Ihre Wachsamkeit stieg. Die Hand der Frau rutschte unter ihren Rock. Auch Hauptmann Falkensted legte seine Finger um den Säbel und seine Augen suchten das Gebiet ab. Er ging einige Schritte auf Rosi zu. »Ich habe Euch nicht rufen lassen. Dies kann nur …«
»… bedeuten, dass ich mit Euch reden wollte!«
Die raue Stimme des Majors hallte auf der Lichtung wider. Einige Vögel erhoben sich flatternd aus den Baumkronen, als wollten sie die kommenden Geschehnisse nicht mitansehen. Mit langsamen Schritten kam von Rosen aus seinem Versteck und stellte sich breitbeinig auf einen Baumstamm.
»Es ist eine Falle«, sagte Bela hektisch und zerrte an Elisabeth. »Wir müssen ihr helfen.«
Schon wollte das Mädchen auf Rosi zustürzen, doch Elisabeth hielt sie zurück. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass immer mehr Soldaten an der Seite des Majors Stellung bezogen. Sie entzündeten Fackeln, die einen roten Schein auf die Lichtung warfen. Allen voran Leutnant Bayer, dessen hochtrabendes Grinsen nichts als Bosheit ausdrückte.
»Warte«, zischte Elisabeth und legte den Arm um Bela. »Es wäre dein sicherer Tod.«
Rosi entfuhr ein Lachen. Es wirkte unglaublich fehl am Platz in dieser Situation, sodass Elisabeth mit großen Augen die Hurenmutter anstarrte.
»Ein Hinterhalt, um eine alte Frau zu täuschen«, stellte sie scheinbar amüsiert und mit lauter Stimme fest. »Wirklich ganz große Kriegskunst, Herr Major.«
Beinahe entschuldigend hob er die Arme.
»Gelernt ist gelernt, meine Liebe«, antwortete er mit derselben Intensität. Er machte einen Schritt nach vorn und landete geschickt auf dem Boden. Dann ging er auf Rosi zu. »Nun, ich habe diesen Ort ausgewählt, um unsere Bedingungen neu zu verhandeln. Hauptmann Falkensted wird dabei als Zeuge fungieren.«
Elisabeth biss sich so hart auf die Lippen, dass es schmerzte. Der Geschmack von Blut legte sich auf ihre Zunge. Dieses widerwärtige Monster. Vergiftete Worte, schön verpackt.
»Wir wissen beide, dass wir nicht deswegen hier sind«, entgegnete Rosi so laut, dass es alle hören konnten.
Hauptmann Falkensted stellte sich vor die Frau, von den beiden Soldaten flankiert. »Ein schönes Arrangement haben Sie uns da bereitet«, brüllte der Hauptmann voller Zorn in Richtung seines
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