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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Schönheit die Frau einmal besessen haben musste. Vorsichtig löste er den Knebel, was die Patientin mit einem schmerzvollen Stöhnen quittierte. Es dauerte einige Zeit, bis sie dazu bereit war, den Holzlöffel in den Mund zu nehmen, sodass er ihr die Suppe einflößen konnte.
    »Wo bin ich?«, wollte sie mit dünner Stimme wissen. Ihre Augen suchten unruhig den Raum ab. »So antworte doch, bitte.«
    Maximilian hielt sich an die Anweisungen des Arztes und versorgte sie lediglich mit Nahrung.
    »Mein Name ist Pauline«, startete die Frau einen neuen Versuch, als die Schüssel beinahe leer war. »Wie heißt du? Bitte rede mit mir.« Maximilian reagierte jedoch nicht und schob ihr den Knebel wieder in den Mund.
    Bei den anderen Frauen sah es nicht anders aus. Sie alle waren von Furcht gepeinigt, erzählten von einer Armee, viele riefen im Fieberwahn nach einer Rosi. Doch Maximilian konzentrierte sich beflissen auf seine Aufgabe, ließ keinen anderen Gedanken zu, als diese Pflicht zu erfüllen. Mehrmals musste er sich dazu anhalten, nicht auf die Wunden der Frauen zu blicken und auch den Gestank verdrängte er aus seinem Geist. Obwohl Doktor Sylar sie anscheinend versorgt hatte, sah es für einige von ihnen nicht gut aus. Sie alle hatten Schläge auf den Kopf bekommen und kauerten gefesselt in ihren Räumen.
    Es dauerte mehr als eine Stunde, bis er am letzten Raum angelangt war. Die Nonnen waren schon zu Bett gegangen. Lediglich Doktor Sylar saß noch über einen Patienten gebeugt. Gerade setzte er eine Säge an, um ihm den Unterarm abzutrennen. Der Soldat war stramm ans Bett gebunden, schien nicht mehr wirklich in dieser Welt zu sein, doch nun, als er die Säge sah, schrie er bitterlich. Eilends nahm Maximilian die letzte Schale, öffnete die Tür der Zelle und trat ein. Das Gesicht der Frau war zur Wand gerichtet. Ihre Arme waren mit Ketten an einen Eisenring gebunden. Sie lag auf Stroh gebettet, nur ein grüner Umhang und ein zerschlissenes Kleid spendeten ihr Wärme. Ihre blonde Mähne hob und senkte sich langsam auf ihrem Brustkorb. Als Maximilians Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er sie besser erkennen. Das Kleid der Frau war am Bauch aufgerissen. Doktor Sylar hatte einen strammen Verband um die Wunde gelegt. Die Verletzung schien nicht allzu schlimm zu sein. Es war nur ein kleiner, roter Punkt auf dem Leinenstoff zu erkennen. Maximilian hatte solche Verletzungen schon oft gesehen. Dies war nichts anderes als eine Kriegswunde, zugefügt durch die scharfe Klinge eines Säbels. Aber diese Frau hatte Glück, sie würde es überleben, dessen war er sich sicher.
    Langsam trat Maximilian näher und strich der Frau die Haare aus dem Gesicht. Als wäre sie gerade aus einem Traum erwacht, drehte sie sich zu ihm.
    Plötzlich hielt er inne. Das konnte nicht sein. Sein Verstand musste ihm einen Streich spielen. War er verrückt geworden?
    Maximilian stellte die Schale mit der Brühe ab, mit weit aufgerissenen Augen schreckte er vor der Frau zurück, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Selbst im fahlen Schein der Fackel konnte er die durchdringenden blauen Augen erkennen.
    »Elisabeth«, flüsterte er.
    Auch sie zuckte zusammen, genauso überrascht, ihn zu sehen. Ihre Muskeln spannten sich, sie rückte noch ein wenig näher an die Wand. Dabei rasten ihre Augen erst durch den Raum, bevor sie ihn schließlich fixierten. Sie versuchte sich von den Ketten loszureißen, wenige Augenblicke später krümmte sie sich vor Schmerzen.
    Durch den Knebel drangen unverständliche Laute an Maximilians Ohren. Eine Hand legte er wie von Seilen gezogen an seine Lippen.
    »Das ist nicht möglich. Du bist tot. Du musst tot sein«, hauchte er tonlos.
    Dieser Raum schien zu klein zu werden, die Wände kamen auf ihn zu. Alles drehte sich auf einmal. Ohne Orientierung polterte er gegen die Tür, hatte Mühe, sie zu öffnen. Hastig schlüpfte er über die Schwelle, warf die Tür zu und schloss ab. Seine Atmung raste, während er durch die Krankenstube eilte.
    Kurz blickte Doktor Sylar auf. »Ich weiß, ist kein schöner Anblick, Junge. Hab Dank und gute Nacht!«, rief er ihm noch hinterher.
    Als er durch die leeren Gänge der Abtei jagte, konnte Maximilian wenigstens den Gestank hinter sich lassen. Die Gemäuer wurden zu klein, viel zu klein für ihn. Er öffnete das Eingangstor und setzte den ersten Schritt in die warme Nacht hinaus. Er rannte wie von Sinnen, die in Dunkelheit gehüllten Häuser sausten an ihm vorbei. Seine

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