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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Seufzend ließ der Mann sich neben ihm nieder.
    »Maximilian, dir wird nicht entgangen sein, dass wir in den letzten Tagen mit der Arbeit kaum hinterher kommen.«
    »Die Verletzten aus der Armee des Majors von Rosen«, schlussfolgerte Maximilian. »Des Hessen«, fügte er zähneknirschend hinzu.
    »Ich kann deine Abneigung zur Gänze verstehen. Aber du weißt, dass wir für jede Seele ein beträchtliches Sümmchen erhalten. Du hast die Zahlen ja selber abgeschrieben. Leider erfordert diese Mehrarbeit natürlich ein hohes Maß an Muskelkraft, um der Lage Herr zu werden. Schwester Agathe indes steht nicht mehr zur Verfügung. Nach ihrer letzten Verfehlung musste ich sie auf ihre Stube schicken. Dort kann sie im Gebet über ihre Taten und Worte nachdenken. Wegen ihrer Unverbesserlichkeit ist unter Umständen sogar ein Ausschluss aus dem Orden erforderlich.«
    Maximilian blickte dem Mann tief in die Augen.
    »Ein Ausschluss? Sie hat ihr ganzes Leben hier verbracht. Wo soll Schwester Agathe denn hin?«
    Der Vikar zuckte mit den Schultern, atmete hörbar. Anscheinend hatte er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. »Das weiß nur Gott, mein Junge.«
    Maximilian nickte verstehend und für einen Moment hatte er Mitleid mit der Frau, die ihn so drangsaliert hatte.
    »Trotz der unschönen Ereignisse muss der Krankenbetrieb im Kloster natürlich aufrechterhalten werden. Doktor Sylar arbeitet Tag und Nacht, wie dir bewusst sein dürfte. Er steht vor einer bahnbrechenden Entdeckung, wie er mir berichtete.« Der Vikar lachte leise auf und klopfte Maximilian abermals auf die Schulter. »Du weißt ja, wie er ist, ich habe nicht viel von dem verstanden, was er mir zu erklären versuchte.«
    Maximilian konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    »Du musst nun Schwester Agathes Aufgaben erledigen. Morgens wirst du dich nicht mehr um die handwerklichen Belange des Klosters kümmern, sondern zu den Essenszeiten die Nahrung in die Krankenstube bringen – und natürlich auch zu Schwester Agathe, die ihre Stube nicht mehr verlassen darf.«
    »Ich verstehe, Herr.«
    »Natürlich tust du das«, sagte Weisen und erhob sich, um ein paar Briefe zu sortieren. »Ich schätze deine Gabe, dich schnell auf neue Situationen einzustellen. Dies ist ein Gottesgeschenk, wofür du dankbar sein solltest.«
    Sichtlich berührt nestelte Maximilian an seinem Hemd. »Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Euch.«
    »Du musst dich nicht bei mir bedanken, das ist dein eigener Verdienst. Du hast dich zweifelsohne für höhere Aufgaben empfohlen und glaub mir, Maximilian, diese werden kommen. Ich brauche noch ein wenig Zeit.«
    Maximilian verstand nicht und zog die Stirn in Falten. Der Geistliche war doch bereits Vikar eines der einflussreichsten Klöster am Niederrhein. »Herr, was meint Ihr?«
    »Alles zu gegebener Zeit, mein Junge. Alles zu gegebener Zeit.«
    Über die Schulter blickte der Vikar ihm in die Augen, griff einen Schlüssel von seinem Tisch und warf ihn Maximilian zu.
    »Dies ist der Zugang zur Krankenstube. Was du dort sehen wirst, wird dich vielleicht wanken lassen. Dieser Anblick ist beileibe nicht schön. Trotzdem vertraue ich dir und ich bin mir sicher, dass du auch diese Aufgabe zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigen wirst.«
    Maximilian befühlte den eisernen Schlüssel wie einen Schatz. »Vielen Dank, Herr.«
    »Und jetzt geh und bereite die Speisung der Kranken vor. Doktor Sylar ist bereits informiert.«
    Eilig stand Maximilian auf. »Ja, Herr.«
    Selten hatte jemand seine Fähigkeiten derart gewürdigt, wie der Vikar es tat. Es war eine Wohltat, für ihn zu arbeiten. In seinem Tagwerk fand Maximilian Ruhe vor den Träumen, welche ihn in den letzten Wochen begleitet hatten. Und auch wenn der Schmerz des Verlustes nicht vollends aus seinem Geist verbannt war, hatte er das Gefühl, endlich das Richtige zu tun. Trotzdem loderte in seinem Verstand ein kleines Flämmchen auf, der dunkle Hauch des Zweifels, der ihn tief in seinem Inneren zur Vorsicht mahnte.
    Den Weg in die Küche legte er euphorisch zurück. Die Schwestern hatten bereits einen großen Topf Suppe zubereitet. Eine dünne Brühe aus Kraut und Rüben, in der einige alte Brotkrumen schwammen. Maximilian eilte sich, zu der Krankenstube zu gelangen, öffnete die Tür und trat ein. Beinahe warf ihn der Gestank zurück, er zwang sich jedoch, weiter durch den Mund zu atmen und trat in die Räumlichkeiten.
    Hier sah es noch schlimmer aus, als er es sich vorgestellt hatte. Alle

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