Die Donovans 3: Das geheime Amulett
Schnittwunden. „Lässt sich nur schwer vermeiden, wenn Scherben auf einen herunterregnen.“
Er kam blitzschnell auf die Füße und zog Ana hoch. „Verflucht, ich hatte Sie gefragt, ob Sie in Ordnung sind.“
„Nun, ich …“
„Das muss gereinigt werden.“ Jetzt sah er auch, dass Blut an ihrem Schenkel hinablief, und er reagierte, wie er bei Jessie reagiert hätte. Er geriet in Panik. „Oh, mein Gott!“ Er hob die verdutzte Ana ohne großes Aufheben auf seine Arme und rannte zur nächstgelegenen Tür.
„Wirklich, es gibt keinen Grund …“
„Das kommt alles wieder in Ordnung, Baby. Keine Bange. Es wird alles wieder gut.“
Halb belustigt, halb verärgert, schnaubte Ana, als er mit ihr in die Küche stürmte. „In diesem Fall können wir wohl auf den Notarzt verzichten. Wenn Sie mich nur endlich …“ Er ließ sie eher unsanft auf einen der hellen Küchenstühle fallen. „… runterlassen würden.“
Hektisch eilte er zur Spüle und ließ kaltes Wasser über ein Tuch laufen.
Schnell, effektiv und heiter, das waren die Codeworte, auf die es in einem solchen Moment ankam, das wusste er aus Erfahrung.
Also atmete er tief durch, um sich zu beruhigen.
„Wenn wir das erst mal gesäubert haben, ist es gar nicht mehr so schlimm. Sie werden sehen.“ Boone setzte bewusst ein Lächeln auf, ging zu Ana zurück und kniete sich vor sie hin. „Ich werde ganz vorsichtig sein.“
Sacht begann er das Blut abzutupfen, das auf Anas Wade getrocknet war.
„Gleich haben wir es. Schließen Sie einfach die Augen und entspannen Sie sich.“ Noch ein tiefer Atemzug. „Ich kannte mal einen Mann“, begann er eine Geschichte zu improvisieren, wie er es immer in solchen Fällen bei seiner Tochter tat. „Der lebte in einem kleinen Dorf, das hieß Briarwood.
Und da gab es hoch oben auf dem Hügel ein verwunschenes Schloss.“
Ana, die ihm gerade sehr entschieden hatte sagen wollen, dass sie durchaus in der Lage sei, sich selbst um ihre Wunden zu kümmern, überlegte es sich anders und stellte fest, dass sie sich tatsächlich entspannte. Sie ließ es geschehen.
„Die Mauer des Schlosses war ganz überwachsen mit einer Dornenhecke, lange, rasiermesserscharfe Dornen, und seit Jahren hatte niemand das Schloss gesehen, weil keiner es wagte, über diese Dornenhecke zu klettern. Aber der Mann lebte allein, und er war sehr neugierig. Jeden Tag würde er von seinem Haus zu der Mauer gehen und sich auf die Zehenspitzen stellen, denn dann konnte er die Türmchen und Erker und den hohen Turm sehen, die in der Sonne funkelten.“
Boone schlug das feuchte Tuch um und tupfte vorsichtig über den Schnitt. „Er konnte niemandem sagen, was er tief in seinem Herzen fühlte, wann immer er dort stand. Er wollte so gern über die Mauer klettern.
Manchmal, wenn er nachts im Bett lag und schlief, träumte er davon. Aber die Angst vor den dicken Dornen hielt ihn immer zurück. Dann, eines Tages, es war Hochsommer, als der Duft der Blumen so schwer war, dass man ihn fast trinken konnte, reichte es ihm nicht mehr, sich die Türme nur anzusehen. Irgendetwas flüsterte ihm zu, dass das, was er sich am meisten auf dieser Welt wünschte, hinter dieser mit Dornen bewachsenen Mauer lag. Also machte er sich daran hinüberzuklettern. Aber immer wieder fiel er hinunter auf den Boden, seine Hände und Arme waren schon ganz zerkratzt und teilweise blutig. Trotzdem versuchte er es immer wieder.“
Seine Stimme klang so beruhigend — seine Berührungen allerdings waren alles andere als das. Ein leises Ziehen breitete sich in Ana aus, behutsam, warm, begann im Zentrum ihres Körpers, dehnte sich immer weiter, bis in die letzten Nervenzellen. Boone strich jetzt über ihren Oberschenkel, wo der scharfe Rand einer Scherbe die Haut aufgeritzt hatte. Ana ballte die Faust, während sich ihr Magen verkrampfte.
Sie wollte, dass er aufhörte. Sie wollte, dass er weitermachte. Sie wusste nicht, was sie wollte.
„Es dauerte den ganzen Tag“, fuhr Boone mit der vollen, hypnotisierenden Stimme des Geschichtenerzählers fort. „In der Hitze mischte sich das Blut mit Schweiß, aber er gab nicht auf. Konnte einfach nicht aufgeben, weil er sicher wusste, wie er noch nie etwas gewusst hatte, dass seine Erfüllung, seine Zukunft und sein Schicksal auf der anderen Seite der Mauer lag. Seine Hände waren zerschnitten und bluteten, aber er zog sich an den dornigen Kletterpflanzen hoch. Erschöpft und unter großen Schmerzen schaffte er es, gelangte auf die Mauer
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