Die Donovans 4: Der verzauberte Fremde
ein.
„Dann sollte sie auch verstehen können, dass die Tochter, die sie liebt, ihr Talent ausbauen will“, sagte er leichthin, hielt aber an dem Thema ihrer Familiengeschichte fest. „Vielleicht war einer deiner Großeltern Künstler?“
„Nein. Mein Großvater väterlicherseits war Lehrer. Das scheint in der Familie ganz selbstverständlich zu sein. Seine Frau war das, was man wohl eine typische Hausfrau und Mutter der Epoche nennen würde. Sie ging ganz darin auf, ein hübsches Heim für ihre Familie zu schaffen.“
Er kämpfte gegen die Ungeduld an – und gegen die Grimasse, die auf seinem Gesicht erscheinen wollte, als sie drei Löffel Zucker in ihre Teetasse gab. „Und auf der Seite deiner Mutter?“
„Oh, mein Großvater mütterlicherseits ist jetzt pensioniert. Sie leben in San Diego. Meine Großmutter macht wunderschöne Handarbeiten. Ich nehme an, das könnte man als Kunst bezeichnen.“ Sie rührte in ihrer Tasse und schürzte plötzlich die Lippen. „Wenn ich es recht bedenke … ihre Mutter, meine Urgroßmutter, malte. Bei uns zu Hause hängen sogar noch zwei ihrer Ölbilder. Ich glaube, meine Großmutter und ihr Bruder haben die anderen. Sie war … nun, exzentrisch“, fügte Rowan grinsend an.
„Inwiefern?“
„Ich habe sie nie kennengelernt, aber Kinder schnappen nun mal hier und da Gesprächsfetzen auf, wenn Erwachsene sich unterhalten. Sie las aus der Hand und redete mit Tieren – sehr zum Unmut ihres Mannes, der ein sehr pragmatischer, sehr nüchterner Engländer war.
Und sie war eine verträumte Irin.“
„So, sie kam also aus Irland?“ Liam spürte ein ahnungsvolles Prickeln über seinen Rücken laufen, eine Warnung, die Ankündigung von Macht.
„Wie lautete denn ihr Mädchenname?“
„Ah …“ Rowan dachte angestrengt nach. „O’Meara. Ich wurde nach ihr benannt“, fuhr sie fort und trank entspannt ihren Tee, während alles in Liam in Alarmbereitschaft war. „Meine Mutter behauptet, mich in einem Anfall von Gefühlsüberschwang so genannt zu haben. Wahrscheinlich hat meine Urgroßmutter mir deshalb auch ihren Anhänger vermacht. Ein wunderschönes altes Stück. Ein ovaler Mondstein, in gehämmertes Silber gefasst.“
Mit einer sehr langsamen und sehr bewussten Bewegung setzte Liam seine Tasse ab. Der Tee schmeckte ihm nicht mehr. „Sie war Rowan O’Meara.“
„Ja, stimmt. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es da auch noch diese wunderbar romantische Geschichte, wie meine Urgroßeltern sich kennenlernten. Mein Urgroßvater fuhr in Urlaub nach Irland. Urgroßmutter malte auf den Klippen – in Cläre. Seltsam, ich weiß nicht, warum ich so sicher bin, dass es in Cläre war.“ Sie dachte einen Moment mit gerunzelter Stirn darüber nach, dann zuckte sie die Schultern. „Wie auch immer … Sie verliebten sich sofort ineinander. Sie ging mit ihm nach England, verließ ihre Heimat und ihre Familie. Sie sind dann in die Staaten emigriert und ließen sich in San Francisco nieder.“
Rowan O’Meara aus Cläre. Bei der Göttin, welche Falle hatte das Schicksal für ihn da zurechtgezimmert? Er nahm seine Teetasse wieder auf, seine Kehle war staubtrocken.
„Der Mädchenname meiner Mutter ist O’Meara.“ Er sprach mit flacher, distanzierter Stimme. „Deine Urgroßmutter ist dann wohl eine entfernte Cousine meiner Familie.“
„Nein, wirklich?“ Erstaunt und entzückt strahlte Rowan ihn an. „Du machst Witze.“
„Ich scherze grundsätzlich nicht bei dieser Art von Familienangelegenheiten.“
„Aber das ja wunderbar! Wie klein die Welt doch ist!“ Sie lachte und prostete ihm mit ihrer Tasse zu. „Nett, dich kennenzulernen, Cousin Liam.“
Bei der Göttin, dachte er fatalistisch und stieß mit ihr an. Die Frau, die ihm da gegenübersaß und ihn aus großen blauen Augen anlachte, hatte Elfenblut in den Adern, und sie wusste es nicht.
„Da ist dein Regenbogen, Rowan.“ Sein Blick haftete weiter auf ihr, aber er wusste, dass die Farben sich draußen auf dem Himmel ausbreiteten. Er hatte den Regenbogen nicht gemacht – aber gespürt, dass sein Vater das übernommen hatte.
„Oh!“ Rowan sprang auf und, nach einem schnellen Blick zum Fenster hinaus, zur Tür. „Komm mit nach draußen, um ihn anzusehen. Er ist wunderschön.“
Und schon war sie die Stufen hinunter und schaute in den Himmel.
Nie zuvor hatte sie so intensive, so leuchtende Farben gesehen, nie zuvor einen so kompletten Halbbogen. Auf dem hellblauen Himmel stach jede einzelne Farbe
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