Die Doppelgaengerin
Dank«, sagte sie, und uns beiden lief ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, was sie getan hätte, wenn sie geglaubt hätte, dass einem ihrer Kinder etwas zugestoßen war. »Wer wurde denn ermordet?«
»Nicole Goodwin.«
»Die Nachäfferin?«
»Genau die.« Ja, es stimmt, ich hatte mich ein-, zweimal bei meiner Familie über Nicole ausgekotzt. »Sie hatte ihren Wagen auf dem hinteren Parkplatz abgestellt und wartete dort auf mich – wir hatten heute Nachmittag einen kleinen Streit …«
»Glaubt die Polizei, dass du es getan hast?«
»Nein, nein«, wiegelte ich ab, obwohl ich anfangs zweifellos die Hauptverdächtige gewesen war. »Ich kam gerade aus dem Studio und wollte abschließen, als dieser Typ sie erschoss, aber er hat mich nicht gesehen. Er fuhr in einer dunklen Limousine weg.«
»O Gott, o Gott, du bist eine Zeugin?«
»Aber eine sehr schlechte«, bekannte ich belämmert. »Es war dunkel und hat geregnet, darum könnte ich ihn nie im Leben identifizieren. Ich rief die Polizei, die kam auch gleich, und mehr weiß ich nicht. Man hat mich gerade heimgefahren.«
»Wieso erst jetzt?«
»Wegen des Tatorts. Sie haben ewig gebraucht, bis sie alles gesichert hatten.« Wobei ich unausgesprochen ließ, dass ich ein paar Stunden früher hätte zu Hause sein können, wenn nicht ein gewisser Lieutenant gewesen wäre.
»Äh … sie haben dich heimgefahren? Warum bist du nicht selbst gefahren?«
»Weil mein Auto innerhalb der Polizeiabsperrung steht und sie mich nicht mehr reinlassen wollten. Morgen früh soll es mir gebracht werden.« Mit morgen früh meinte ich ein paar Stunden nach Sonnenaufgang, denn theoretisch war es bereits Morgen. Ich rechnete damit, den Wagen zwischen acht und zehn Uhr zu bekommen, und ich konnte von Glück sagen, wenn ein Streifenbeamter und nicht Wyatt ihn herfahren würde. »Das Great Bods wird ein paar Tage geschlossen bleiben müssen, vielleicht sogar eine ganze Woche. Ich denke, ich werde so lange ans Meer fahren.«
»Eine gute Idee«, sagte sie entschieden. »Du solltest sofort von hier verschwinden.«
Manchmal ist es fast beängstigend, wie ähnlich meine Mutter und ich denken.
Ich versicherte ihr noch mal, dass mir nichts passiert war und dass ich jetzt ins Bett gehen würde, weil ich total k.o. war. Als ich auflegte, fühlte ich mich schon viel besser. Sie hatte keine beschwichtigenden Gluckenlaute von sich gegeben, was meiner Mutter eigentlich gar nicht ähnlich sieht, aber immerhin war ich jeglichem noch so gut gemeinten Klatsch zuvorgekommen, der sie unnötig aufgeregt hätte.
Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, auch Siana anzurufen, aber ich war zu müde, um aus dem Gedächtnis meine Beschwerdeliste herunterbeten zu können. Gleich nach dem Aufwachen würde ich sie noch mal aufschreiben. Mein Zusammenstoß mit Lieutenant Bloodsworth würde Siana einen echten Kick geben. Schließlich wusste sie von unserer gemeinsamen Geschichte.
Nichts wollte ich jetzt lieber tun als schlafen, darum löschte ich alle Lichter bis auf die gedimmten Kerzenlampen an der Treppe. Dann kletterte ich die Stufen hoch zu meinem Schlafzimmer, wo ich mich auszog und splitternackt auf mein Wolkenbett fallen ließ. Mit einem lauten, erleichterten Stöhnen streckte ich mich aus – und ruinierte mir den Augenblick, indem ich mir ausmalte, wie sich Wyatt splitternackt auf mir ausstreckte.
Dieser verfluchte Kerl war eine echte Bedrohung. Ehe mich meine abwegigen Phantasien noch ins Verderben führen konnten, zwang ich mich, unser letztes Date, bei dem er sich so arschig aufgeführt hatte, in allen Einzelheiten zu rekapitulieren.
Na bitte. Geht doch.
Friedlich und todmüde wälzte ich mich zur Seite und machte die Augen zu. Licht aus, Blair.
6
Er hat nicht vergessen, dass ich Cola Light trinke. Das war mein erster Gedanke, als ich um halb neun aufwachte. Ich lag in meinem Bett, schaute blinzelnd zu dem langsam rotierenden Ventilator auf und versuchte zu bestimmen, ob das mit der Cola etwas zu bedeuten hatte. Die Romantikerin in mir wollte nur zu gern glauben, dass er sich an jede Kleinigkeit erinnerte, die ich ihm erzählt hatte, aber mein rationales Ich korrigierte unbarmherzig, dass er wahrscheinlich nur ein exzellentes Gedächtnis hatte. Punktum. Ein Polizist muss ein gutes Gedächtnis haben, oder? Das gehört zum Anforderungsprofil, schließlich muss er bei einer Verhaftung die Bürgerrechte aufsagen können und so weiter.
Die Cola Light zählte also nicht. Wer weiß,
Weitere Kostenlose Bücher