Die Doppelgaengerin
mich einfach überkam und kein Ende nehmen wollte. Als ich den Mund endlich wieder zuklappen konnte, stand mir das Wasser in den Augen. »Entschuldige«, sagte ich und wischte meine Augen trocken.
Dieses verfluchte Schwein grinste mich an. »Erzähl nur weiter, dass du nicht interessiert bist, dann glaubst du es vielleicht, bis du neunzig bist. Und jetzt los, ich fahr dich heim, bevor du noch zusammenbrichst«, sagte er, ehe ich auf seine erste Bemerkung antworten konnte. Im nächsten Moment lag seine Hand auf meiner Taille, und er schob mich sanft zur Tür.
Endlich! Ich war so froh, dem eigenen Bett näher zu kommen, dass ich gar nicht darauf achtete, wo seine Hand lag oder wie das aussehen mochte. Er beugte sich vor und öffnete mir die Tür, und als ich nach draußen trat, schienen sich hundert Augenpaare auf uns zu richten. Streifenbeamte in Uniform, Detectives in Zivil, ein paar Gäste, die offensichtlich nicht auf eigenen Wunsch hier waren – auf dem Revier brummte selbst zu dieser nachtschlafenden Stunde das Leben. Wenn ich darauf geachtet hätte, wäre mir das Stimmengesumm und Telefonklingeln vor der Tür nicht entgangen, aber ich hatte mich ganz auf meine Schlacht mit Wyatt konzentriert.
Ich blickte in die verschiedensten Mienen: neugierige, schadenfrohe, lüsterne. Nur ein Ausdruck war nirgendwo zu entdecken: Überraschung. Ich merkte, wie sich Detective MacInnes ein Grinsen verkniff, während er die Papiere auf seinem Schreibtisch anstarrte.
Na gut, was hatte ich auch erwartet? Zum einen hatten sie unsere öffentliche Meinungsverschiedenheit verfolgt, die Wyatt beendet hatte, indem er mich in sein Auto gestopft hatte – womit er nur den öffentlichen Teil, keineswegs jedoch unsere Meinungsverschiedenheit beendet hatte –, aber überdies musste er irgendeine Bemerkung gemacht haben, die darauf schließen ließ, dass wir eine Beziehung hatten. Dieser falsche Hund versuchte alles, damit meine Proteste ungehört blieben, aber vor allem hatte er damit sichergestellt, dass sich keiner seiner Leute in unseren Streit einmischen würde.
»Du hältst dich wohl für superschlau«, murmelte ich, während wir in den Aufzug stiegen.
»Das bin ich bestimmt nicht, sonst würde ich mich von dir fern halten«, widersprach er gelassen und drückte dabei den Knopf fürs Erdgeschoss.
»Und warum gibst du deinem IQ nicht einen kleinen Schubs und suchst dir jemanden, der an dir interessiert ist?«
»Oh, du bist sehr wohl interessiert. Es gefällt dir vielleicht nicht, aber du bist interessiert.«
»Das war ich. Vergangenheit. Wie in Jetzt nicht mehr. Du hattest deine Chance.«
»Ich habe sie immer noch. Wir haben nur eine kleine Verschnaufpause eingelegt.«
Mein Mund klappte fassungslos auf und ich sah mit großen Augen zu ihm hoch. »Du nennst zwei Jahre eine Verschnaufpause? Lass dir was sagen, mein Dicker; mit deinem Abgang nach unserem letzten Date hast du deine Chance vergeigt.«
Der Lift hielt an, die Türen glitten auf – drei Stockwerke sind schnell vorbei –, und Wyatt zog wieder diese Hand-auf-dem-Rücken-Nummer ab, während er mich durch die kleine Eingangshalle und auf den Parkplatz begleitete. Zum Glück hatte es zu regnen aufgehört, aber es tropfte immer noch von den Bäumen und Stromleitungen. Sein weißer Crown Vic stand auf dem vierten Stellplatz vom Eingang aus, direkt hinter einem Schild mit dem Aufdruck »Lt. Bloodsworth«. Der Parkplatz war bewacht und eingezäunt, weshalb hier nirgendwo ein Reporter lauerte. Nicht, dass es andernfalls einen richtigen Medienauflauf gegeben hätte; in unserer Stadt gibt es genau eine Tageszeitung, eine Wochenzeitung, vier Radiostationen und einen örtlichen, an die ABC angeschlossenen Fernsehsender. Also wären es, selbst wenn jeder Fernseh- und Radiosender und jede Zeitung einen eigenen Reporter geschickt hätte, was sie nie und nimmer tun würden, alles in allem nicht mehr als sieben Journalisten gewesen.
Nur um ihn zu ärgern, versuchte ich die hintere Tür aufzuziehen. Wyatt knurrte, öffnete die Beifahrertür und zerrte mich nach vorn. »Du kostest mich den letzten Nerv, weißt du das?«
»Warum?« Ich setzte mich ins Auto und legte den Gurt an.
»Weil du nicht weißt, wann du aufhören musst.« Er knallte energisch die Tür zu und kam auf die Fahrerseite. Dann stieg er ein, ließ den Wagen an, drehte sich zu mir um und legte einen langen Arm quer über die Rückenlehne. »Nachdem wir nicht mehr im Lift sind, wo jede Bewegung auf Video festgehalten
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