Die Doppelgaengerin
wird, kannst du mir vielleicht noch mal erklären, warum ich meine Chance vergeigt habe und du nicht mehr interessiert bist.«
Er wollte mich provozieren, er würde mich so lange piesacken, bis ich etwas Unüberlegtes sagte und ihm einen Grund gab, etwas Unüberlegtes zu tun, wie zum Beispiel mich zu küssen. Die Lampen über dem Parkplatz waren so hell, dass ich das Glitzern in seinen Augen sehen konnte, während er auf meine Antwort wartete. Am liebsten hätte ich zu einem verbalen Vernichtungsschlag ausgeholt, aber damit hätte ich ihm nur in die Hände gespielt, außerdem war ich todmüde und wusste, dass ich nicht mehr in Topform war. Darum gähnte ich nur und grummelte: »Kann das nicht warten? Ich bin so müde, dass mir fast die Augen zufallen.«
Er lachte leise, drehte sich wieder nach vorn und schnallte sich an. »Feigling.«
Na schön, dann glaubte er mir eben nicht. Viel wichtiger war, dass er beschlossen hatte, nicht nachzuhaken.
Tja, ich zeigte ihm, wie sehr er sich getäuscht hatte. Ich lehnte den Kopf zurück, machte die Augen zu und war, der abendlichen Koffein-Infusion zum Trotz, schon eingeschlafen, noch bevor wir aus dem Parkplatz herausgefahren waren. Ich habe diese Gabe; mein Vater nannte mich oft »Lichtaus-Blair«. Ich wälze mich so gut wie nie schlaflos im Bett, aber ich hätte nicht geglaubt, dass ich nach all dem Stress und Kaffee so leicht einschlafen würde. Von wegen – die Lichter gingen so schnell aus wie eh und je.
Ich wachte erst wieder auf, als er die Beifahrertür aufzog und sich hereinbeugte, um meinen Gurt loszumachen. Ich blinzelte ihn verschlafen an und versuchte, meinen Blick scharf zu stellen. »Sind wir schon da?«
»Wir sind da. Jetzt komm, Dornröschen.« Er holte meine Handtasche aus dem Fußraum und zog mich behutsam aus dem Auto.
Ich lebe in Beacon Hills – meine Wohnanlage heißt ebenfalls Beacon Hills, ist das nicht superoriginell? –, und das heißt, dass hier alle Straßen hügelauf- oder -abwärts gehen. Die Beacon Hills Condominiums bestehen aus elf Häuserzeilen mit jeweils vier zweistöckigen Reihenhäusern. Ich lebe in der dritten Zeile im Eckhaus, was bedeutet, dass ich auf drei und nicht nur auf zwei Seiten Fenster habe. Die Reiheneckhäuser kosten mehr als die in der Mitte, aber mir waren die Fenster den Aufpreis wert. Ein zweiter dicker Pluspunkt war der Carport direkt neben dem Haus, unter dem ich mein Auto parken kann. Die Bewohner der mittleren Wohnungen müssen ihr Auto auf der Straße abstellen. Ja, auch der Carport hat den Preis der Wohnung nach oben gedrückt. Und wenn schon. Der Carport war den Aufpreis wert, weil ich dafür meinen Mercedes nicht im Regen stehen lassen musste. Wyatt war schon mal bei mir gewesen und hatte deshalb gleich in meinem Carport geparkt.
Natürlich gab es auf der Vorderseite des Hauses eine richtige Haustür, aber es gab auch eine Verbindungstür vom Carport zu einer kleinen Kammer, in der meine Waschmaschine und der Trockner standen und von der aus man in die Küche kam. Ich nahm so gut wie nie den Vordereingang, wenn ich mich nicht gerade von einem Date nach Hause bringen ließ, und die Lampen an der Seitentür waren mit einem Timer verbunden. Um Punkt einundzwanzig Uhr wurden sie eingeschaltet, damit ich nie im Dunklen meinen Weg ins Haus suchen musste.
Ich nahm ihm meine Handtasche ab und wühlte die Schlüssel hervor. »Danke fürs Heimbringen«, sagte ich höflich. Ich erwähnte nicht einmal mehr, dass ich lieber ein Taxi genommen hätte.
Er ragte über mir auf und war mir viel zu nahe, weshalb ich meinen Schlüssel automatisch fester packte, falls er ihn mir wegzunehmen versuchte. »Ich will noch die Schlösser an deinen Türen und Fenstern kontrollieren.«
»Das kann mein Dad morgen erledigen. Heute Nacht kann mir nichts passieren, weil niemand weiß, dass ich was gesehen habe, bevor morgen früh die Zeitung erscheint.«
»Kennt sich dein Dad mit Schlössern aus?«
Nicht besser als ich, aber mal ehrlich, ich hatte eine Alarmanlage und konnte meine Türen und Fenster selbst kontrollieren. »Lieutenant Bloodsworth«, sagte ich so energisch, wie das unter einem Gähnen nur möglich ist, »fahren Sie nach Hause. Lassen Sie mich in Ruhe.« Gleichzeitig sperrte ich die Tür auf und stellte mich so davor, dass er nicht an mir vorbeikam.
Er lehnte sich mit der Schulter in den Türrahmen und lächelte mich milde an. »Glaub mir, ich wollte nicht gewaltsam in deine Wohnung eindringen.«
»Gut zu wissen.
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