Die Dornen der Rose (German Edition)
das in seinem Stiefel verstaut war. Er fühlte sich ein wenig nackt, doch er hatte freien Blick auf die Straße, und alles war ruhig. Nur ein paar Frösche, die im Wald quakten, waren zu hören. Hufschlag würde an sein Ohr dringen, ehe Pferde die Kuppe erreichten. Er hätte genügend Zeit, um Maggie hinter den Büschen zu verstecken.
Sie gab kehlige Seufzer von sich, während sie sich wusch. Verflucht, das klang ganz schön verlockend. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie sie solche Laute von sich gab, während er alles Mögliche mit ihr anstellte.
Er würde jetzt aufhören, sich in seiner Fantasie alles Mögliche vorzustellen.
Sie ließ das Wasser an verschiedenen Stellen über sich rieseln. Dabei hätte er ihr bis in alle Ewigkeit zuschauen können. Nach einer Weile setzte sie sich auf, während sie sich das feuchte Tuch in den Nacken drückte. Dabei sah sie ihn durchdringend und nachdenklich an. »Ich bin mir nicht sicher, wo wir beide stehen. Bin ich eine Gefangene?«
»Himmel, nein«, platzte er heraus. Es gelang ihm sogar, gekränkt zu klingen. »Es steht Ihnen frei, jederzeit zu gehen.« Er deutete auf die Straße, die weiter oben verlief. »Na los. Ich werde Sie nicht aufhalten.«
»Irgendwie habe ich einen anderen Eindruck bekommen.« Aber sie stand nicht auf, um zu gehen. Sie waren längst über den Punkt hinaus, wo er hinter ihr herjagen und sie festhalten musste. Offensichtlich hatte er mit seinem aufrechten Charakter ihr Vertrauen gewonnen.
Er schlug bewusst einen gereizten Tonfall an und meinte: »Ich dachte, ich tue Ihnen einen Gefallen, wenn ich Sie mitnehme. Diese Jakobiner aus Paris sind dort in der Gegend. Ich dachte mir, Sie würden lieber nicht allein mit ihnen zusammentreffen.«
Eine Weile ließ sie sich das durch den Kopf gehen. »Ich möchte ihnen aus dem Weg gehen.«
»Ich habe auch nicht gern mit Staatsbediensteten zu tun. Dieser Tage zumindest nicht. Nicht mit diesem blutrünstigen Pack, das jetzt in Paris herrscht.«
Sie drückte sich das feuchte Tuch aufs Gesicht. Als sie es wieder sinken ließ, sah sie ihn mit ruhigem Blick an. »Ich wage zu bezweifeln, dass sie eine der Angestellten der de Fleurignacs anständig behandeln. Vor allem, wenn es sich dabei um eine Ausländerin handelt.« Die Worte selbst waren gelogen, doch die unterschwellige Furcht war echt. »Danke, dass Sie mich vor ihnen versteckt haben.«
»Ich wollte selber ungern deren Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Sie haben also nur von der Situation profitiert. Wissen Sie einen Ort, an dem Sie unterkommen können?«
»Ich habe Freunde. Nicht weit entfernt von hier. Die werde ich aufsuchen.«
Er kratzte sich am Kinn. Es war gar nicht so einfach, dafür zu sorgen, dass die Stoppeln immer die richtige Länge hatten. Er musste sich schon sehr sorgfältig rasieren, um den gewünschten ungepflegten Eindruck zu machen. »Ich habe nur gedacht … ich dachte, ich passe auf Sie auf, solange wir den gleichen Weg haben. Es treibt sich schon ein ziemliches Gesindel auf den Straßen herum. Darunter sogar Schlimmere als ich.«
»Das könnte wohl sein«, stimmte sie ihm trocken zu.
»In allen Städten im Umkreis hat man von dem Brand in Voisemont gehört. Alle, denen man begegnet, werden nach Aristokraten Ausschau halten, die aus dem Château geflüchtet sind. Wenn Sie mit mir reisen, wird man Sie nicht für eine von denen halten.« In seiner schwungvollen Geste lag die ganze Naturgewalt eines Guillaume LeBreton. »Niemand würde auch nur auf die Idee kommen. Und keiner belästigt eine Frau, die mit einem Mann meiner Körpergröße reist.«
Eine saphirblaue Libelle glitt im Schnellflug über die hohen Gräser am Ufer. Sie funkelte so hell wie ein fliegender Edelstein. Maggie kniete regungslos im Moos am Rand des Wasserlaufs und beobachtete sie. Nach einer Weile meinte sie: »Ich verstehe nicht, warum Sie …«
»Fünfzig Livres.«
»Wie bitte?«
»Fünfzig Livres, und ich bringe Sie zum Haus Ihrer Freunde … bis auf die Türschwelle.« Nichts ließ einen Menschen aufrichtiger erscheinen als die Bitte um Geld. Keiner glaubte an wahre Menschenfreundlichkeit. Er stand bewusst langsam auf, um auch wirklich harmlos zu wirken, und trat dann ans Ufer, wo er den Blick aufs Wasser richtete, das einen Strudel über im Bachlauf liegenden Steinen bildete. Die Libelle begann sich zu langweilen und flog davon.
»Ich habe keine fünfzig Livres bei mir.« Ein amüsierter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Ich habe noch nicht einmal
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