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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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ansichtig wurden. Weder wurde sein Schritt verhalten, als er sich den Zigeunern näherte, noch beschleunigte er sein Tempo. So hatten beide Seiten reichlich Gelegenheit, einander nach Herzenslust zu mustern und abzuschätzen.
    Shandor hatte einen abgeschiedenen Ort gewählt, um auf sie zu warten. Kein Bauernhaus lag in der Nähe, von dem aus sie hätten beobachtet werden können. Die Straße, die nach Paris abzweigte, befand sich außer Sichtweite in einer Meile Entfernung. Sie hatte keine Ahnung, wie sie La-Flèche-Angelegenheiten mit ihm besprechen sollte, wenn Bürger LeBreton und sein Diener, dieser neugierige Kinderschreck, an ihrem Rockzipfel hingen.
    »Ah, Angehörige des fahrenden Volkes – mancher nennt sie auch Ägypter –, die gerade ganz unschuldigen Verrichtungen nachgehen.« LeBreton versteckte sich hinter der Fassade des großen, jovialen Landmanns. Doch sein Blick war scharf und durchdringend. »Oder vielleicht doch nicht so unschuldigen Verrichtungen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Sie sind nervös. Man sehe sich nur diese Männer an, die neben dem Planwagen da sitzen. Trüge ich eine Uniform, wäre das der erste, den ich durchsuchen würde.«
    Glücklicherweise war er kein Gendarm. Sie hätte ungern Spatzen an jemandem vorbeigeschleust, der einen so scharfen Blick wie Guillaume LeBreton besaß.
    Deshalb schlug sie einen betont leichten Tonfall an und meinte: »Sie haben angehalten, um Brombeeren zu pflücken. Vielleicht auch Haselnüsse, obwohl es auch für ein so warmes Jahr wie dieses noch ein bisschen früh dafür ist. Aber Beeren gibt es auf jeden Fall im Überfluss.«
    »Hier und in jeder Hecke zwischen Paris und Dieppe. Sie haben aber die Pferde nicht abgespannt, während sie Brombeeren pflücken.«
    »Sie sind ein sehr misstrauischer Mensch.«
    Männer und Jungen traten vor und postierten sich unauffällig zwischen den Wagen und den sich nähernden Fremden. Shandor stand an der Spitze seiner Männer. Er hatte eine blaue Weste an und trug ein rotes Tuch um den Hals. An allen Mützen und Hüten war die blau-rot-weiße Kokarde der Revolution befestigt, die sie als gute Republikaner auswies.
    LeBreton kratzte sich am stoppeligen Kinn. Mittlerweile wusste sie, dass das bei ihm ein Zeichen dafür war, dass er über etwas scharf nachdachte. »Das könnte wohl sein …«, meinte er leise, als würde er mit sich selber reden. »Es könnte aber auch sein, dass da vorn auf der Straße irgendetwas ist und sie davon wissen.«
    »Dieser Tage stößt man auf den Straßen immer wieder auf etwas Unangenehmes.«
    Shandor wusste, dass sie aus dieser Richtung kommen würde. Er hatte ihrem Befehl nicht Folge geleistet, sondern war geblieben, um mit ihr zu reden, obwohl er damit seine eigenen Leute in Gefahr brachte.
    Er war die Krähe. Er hatte im Laufe der letzten fünf Jahre das Leben unzähliger Männer und Frauen gerettet. Natürlich würde er versuchen, auch sie zu retten.
    Während sie sich dem Lager näherten, hörten die größeren Kinder auf zu reden und drängten sich zusammen. Die Jungen trugen Hüte wie ihre Väter, die kleinen Mädchen hatten strahlend weiße Röcke und Blusen an und vier oder fünf Zöpfe, die in ihrem offenen, lockigen Haar fast untergingen. Eine alte Frau, deren Haut von der Sonne dunkelbraun gebrannt war, saß auf dem Tritt eines der Wagen und schnitzte gerade mit einem kleinen, glänzenden Messer an einem Holzstück herum.
    »Das sind Kalderasch«, erklärte LeBreton. »Kupferschmiede. Seht ihr die Töpfe, die an den Wagen hängen? Die fertigen sie an.«
    Das wusste sie bereits. Sie schärften auch Schaufeln, Messer und Äxte. Aus diesem Grunde war Shandors Familie noch intakt und auch fünf Jahre nach Ausbruch der Revolution nie behelligt worden. Seine kumpania war auf allen Straßen außerhalb von Paris bekannt. Armeen marschierten vorbei und Shandors Leute sausten los, um Messer zu schleifen und Bajonette zu schärfen. Später standen die Soldaten der Revolution Schlange und lösten die Armeen ab. Und in den Wagen versteckten sich unter Decken mucksmäuschenstill die Spatzen.
    LeBreton gab Adrian mit der Hand ein Zeichen. Es wäre ihr nicht aufgefallen, wenn sie es ihn nicht vorher schon einmal hätte machen sehen. Der Junge trieb die Esel mit einem Stock an und rückte näher zu ihnen auf.
    »Vielleicht sagt man uns ja unsere Zukunft voraus«, meinte LeBreton.
    Sie betraten das Lager. Hunde näherten sich, um an ihnen zu schnüffeln. Decorum versuchte, die Hunde zu treten,

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