Die Dornen der Rose (German Edition)
herumzusitzen. Und lass dich nicht sehen.« Pax musste anscheinend die ganze Liste durchgehen. »Einer von unseren Männern steht an der Ecke, in der scharfen Kurve am Ende der Straße. Falls du rausgehst, gib ihm ein Zeichen, wenn du an ihm vorbeigehst.«
»Das mache ich. Schließ die Tür leise, wenn du gehst.«
Das brachte ihm einen bösen, misstrauischen Blick von Bürger Weißhaar Paxton ein. Dann war er endlich allein.
Vom Fenster aus hatte man einen schönen geraden Blick auf Maggies Haus. Das war die bessere Art, ein Haus auszukundschaften. Von drinnen, wo keiner einen dabei erwischte, dass man sich an Wände drückte, und einen wegjagte.
Das Holz des Stuhles war immer noch warm, als er sich hinsetzte. Es gefiel ihm nicht sonderlich.
Er legte die Ellbogen auf das Fenstersims und beugte sich nach draußen. Er machte sich keine Sorgen, dass jemand ihn so hoch oben bemerken würde. Die Luft roch nach Stadt; der Geruch hatte Körper und Gewicht. Sie war auch voller Stadtgeräusche: ein ständiges Summen und Rauschen, das nie ganz aufhörte. Es war eine Erleichterung, nicht mehr auf dem Lande zu sein. Es störte ihn nicht zuzugeben, dass ihm das Landleben überhaupt nicht gefiel.
Auch der Raum wirkte vertraut. Den größten Teil seines Lebens hatte er an solchen Orten verbracht. Dieser Dachboden war das Zuhause von jemandem. Tatsächlich das Zuhause vieler Menschen, wenn man einmal die Fliegen beiseiteließ. Auf dem Boden lagen sechs Strohmatten. Sechs Jungen schliefen hier. Es sah ganz so aus, als würden sie sich mit Schuheputzen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Doyle hatte ihnen Geld gegeben, damit sie wegblieben. Das war seine Vorgehensweise. Er verscheuchte sie nicht, sondern er bezahlte sie.
Er würde noch zwei Stunden mehr oder weniger Tageslicht haben. Dann begann die Nachtwache. Er wusste, wie man bei Nacht Wache hielt. Einer wie Paxton der Weiße brauchte ihm nicht zu sagen, was er zu tun hatte. Dieser Paxton ist nichts Besonderes. Wenn er für den Geheimdienst arbeiten kann, kann ich das auch .
Es würde nicht so viel anders sein als bei Lazarus. Außer dass der britische Geheimdienst Menschen nicht mit der gleichen Begeisterung und Hingabe wie Lazarus ermordete. Aber das könnte er lernen, wenn es sein musste. Er war schon dabei, den Dreh rauszukriegen.
Man schaue sich nur heute Morgen an. Er hatte Le Brochet nicht umgebracht, oder? Er war richtiggehend barmherzig gewesen.
Er hatte die Sache mit Le Brochet durchgezogen und war unbeschadet davongekommen. Das Gesindel war in die falsche Richtung gerannt. Es gab nichts Schöneres im Leben, als die Hunde Richtung Osten bellen zu hören, während man sich Richtung Westen aus dem Staub machte.
Er hatte eine Karte im Kopf gehabt, wie Doyle es immer ausdrückte. Die hatte ihm den Weg zu einer ruhigen Straße gewiesen, die einen scharfen Bogen machte. Ganz abgeschieden. Am Ende gab es einen alten Springbrunnen aus Kupfer. Der Wasserspeier war wie ein Delfin geformt.
Er schöpfte ein bisschen Wasser und kam sich ziemlich clever vor, weil er sich das Blut aus dem Hemd wusch. Das Wasser spritzte aus dem Maul des Delfins, als wollte er eine Katze vertreiben, die die ganze Nacht getrunken hatte. Schon merkwürdig, was den Leuten so gefiel und was sie sich hinstellten. Das war der Moment, in dem Doyle ganz leise von hinten an ihn herantrat und sagte: »Schön. Da bist du ja«, was ihm einen riesigen Schrecken einjagte.
Ein großer, schwerer Mann sollte nicht in der Lage sein, so leise zu gehen. Das war unheimlich. Jawohl.
Doyle hatte kein Messer gezückt. Er kam einfach ganz freundlich und entspannt auf ihn zu. »Das war ja ein nettes Verhör. Du hast ihn richtig ausgequetscht. Warum lebt er noch?«
Es hatte keinen Sinn, auch nur Vermutungen darüber anzustellen, von wo Doyle gekommen war und woher er von Le Brochet wusste. »Ich dachte mir, es wäre eine gute Idee, ihn weiteratmen zu lassen.«
»Ach ja?« Doyle war so geduldig wie ein verdammter Panther oder Ähnliches. Einfach unheilvoll.
»Ich kann jederzeit zurückgehen und ihn später töten.«
»Guter Gedanke.«
Nun, es war klar, dass Doyle das gefiel. Schließlich hatte er es selber ein paar Mal gesagt. »Es ist leichter zurückzukommen und jemanden zu töten, als zurückzukommen und zu enttöten. Und wenn einem später noch ein paar Fragen einfallen, wäre er nicht sehr gesprächig, falls er tot ist.«
Doyle wartete weiter, als gäbe es da noch mehr.
Er holte tief Luft. Verdammt,
Weitere Kostenlose Bücher