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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Du, Hughie, reitest südwestlich. Ich, wie schon gesagt, halte mich direkt in westlicher Richtung. Mum und Meggie, ihr reitet nach Nordwesten. Und du, Stu, folgst der Brandgrenze in nördlicher
    Richtung. Vergeßt nicht, ihr alle - immer wieder rufen, laut nach ihm rufen. Vielleicht kann er euch nicht sehen, wohl aber hören. Allerdings: Feuern dürft ihr nur, wenn ihr irgend etwas findet. Er hat ja kein Gewehr mitgenommen, und wenn er einen Schuß hören würde, selbst jedoch außer Rufweite wäre, so wäre das für ihn einfach furchtbar.« »Viel Glück, und möge Gott uns helfen.«
    Wie Pilger, die sich am letzten Kreuzweg voneinander trennen, strebten sie im grauen Regen in alle Richtungen fort, von Sekunde zu Sekunde gleichsam weiterschrumpfend, bis sie einander nicht mehr sahen.
    Stuart hatte etwa anderthalb Kilometer zurückgelegt, als ihm, dicht an der Baumgrenze, eine Gruppe verkohlter Bäume auffiel. Da war eine kleine Wilga, ein schwärzlich verkrümmtes Gebilde, und die Überreste eines mächtigen Baumstumpfes ganz in der Nähe. Und das, worauf Stuart jetzt starrte, war nichts anderes als der verkohlte Kadaver von Paddys Pferd, wie festgeschweißt an den Stamm des mächtigen Eukalyptus. Auch zwei von Paddys Hunden lagen da: schwarze, auf den Rücken gekippte Formen, die vier Läufe wie Stöcke in die Höhe gestreckt.
    Nein, er brauchte nicht darauf zu hoffen, daß es nicht Paddy war, den das Feuer hier erwischt haben mußte. Tramps hatten kein Pferd und bestenfalls einen Hund. Er schwang sich aus dem Sattel und trat durch den Schlamm langsam näher. Aber konnte es nicht vielleicht ein Viehtreiber von Bugela sein, der hier dem Feuer zum Opfer gefallen war? Nein, diese Stelle befand sich zu weit innerhalb des Gebietes von Drogheda, und außerdem ... da waren die Überreste von weiteren drei Hunden, fünf also zusammen, und er war sicher, daß er keinen sechsten finden würde. Er fand ihn auch nicht. Und nicht weit von dem Pferd, erst jetzt zu erkennen, weil ein Baumstamm davor lag, war das, was einmal ein Mensch gewesen war. Da konnte es keinen Irrtum geben. Von Regen überspült, lag das Ding da. Es glänzte, schien vor Nässe fast zu glitzern, auf dem Rücken liegend, und der Rücken war bogenförmig hochgekrümmt, nur auf den Knochen von Schultern und Hintern ruhte der verkohlte Körper, und die gebreiteten Arme knickten in den Ellbogen himmelwärts, wie in einer verzweifelten Gebärde des Flehens. Die Finger, verkohlt, nur noch Knochen, kein Fleisch, krümmten sich hoch, krallten sich ins Nichts. Die Beine waren auseinandergespreizt, mit halb angezogenen Knien, und die verkohlte, kaum unterscheidbare Masse des Schädels blickte blicklos, augenlos zum Himmel. Zwei oder drei Sekunden betrachtete Stuart das schwarze, verkrümmte Etwas, und er betrachtete es mit jenem eigentümlich durchdringenden Blick, der so vieles, wenn nicht alles umfassen konnte: Was er sah, waren nicht die kläglichen Überreste eines Menschen, sondern der Mensch selbst, ganz wie er gewesen war. Dann hob er sein Gewehr, den Lauf nach oben gerichtet, und feuerte. Und lud durch und feuerte wieder. Und lud noch einmal durch und feuerte zum dritten Mal. Aus der Ferne kam schwach das Geräusch eines einzigen Schusses als Antwort, und ein wenig später klang, noch leiser, ein zweiter Schuß. Er überlegte, daß der erste Schuß, der nähere, von seiner Mutter und seiner Schwester gekommen sein mußte. Sie waren im Nordwesten, er befand sich im Norden. Ohne die vereinbarten fünf Minuten abzuwarten, schob er neue Patronen in sein Gewehr und feuerte wieder, diesmal eher in südliche Richtung zielend, und er feuerte auch ein zweites und ein drittes Mal. Dann stand er lauschend. Jetzt kam die erste Antwort vom Westen her, der Schuß von Bob, der zweite mußte von Jack oder Hughie stammen, und der dritte schließlich von seiner Mutter. Er atmete erleichtert auf. Nach Möglichkeit sollte es nicht geschehen, daß die Frauen zuerst hier waren.
    Und während er noch so stand, den Blick nach Süden gerichtet, sah er nicht, wie zwischen den Bäumen im Norden ein mächtiger Keiler auftauchte. Stuart sah ihn noch nicht, er roch ihn. Groß wie eine Kuh war das Tier. Auf stämmigen Beinen bewegte es den massigen Körper voran und hielt den Schädel tief gesenkt, wühlte den verbrannten und nassen Boden auf. Die Schüsse hatten es hochgeschreckt, und es wurde von Schmerzen gequält. Das borstige schwarze Haar war auf der einen Körperseite abgesengt, und

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