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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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ihren Kopf gegen seine nasse Kleidung und schloß die Augen, war trotz aller Trauer und allem Schmerz so glücklich, daß sie wünschte, der Augenblick möge nie enden. Er, ja, er war gekommen. Also konnte sie ihm nicht gleichgültig sein, also besaß sie so etwas wie Macht über ihn, also hatte sie nicht versagt.
    »Ich bin ganz naß, Meggie, Liebling«, flüsterte er, eine Wange sacht gegen ihr Haar gelehnt. »Du wirst auch ganz naß werden.« »Das macht nichts. Du bist gekommen.«
    »Ja, ich bin gekommen. Ich wollte mich vergewissern, daß du in Sicherheit bist. Ich hatte das Gefühl, daß ich gebraucht würde. Oh, Meggie, dein Vater und Stu! Wie ist es geschehen?« »Daddy konnte dem Feuer nicht entkommen. Später fand ihn Stu und wurde von einem Keiler getötet. Jack und Tom sind mit einem Gespann hinaus, um sie zur Homestead zu holen.« Er stellte keine weiteren Fragen, sondern schwieg. Wie ein kleines Kind wiegte er Meggie hin und her, bis die wohlige Wärme des Kaminfeuers sein Haar und seine Kleidung ein wenig getrocknet hatte und etwas von der Erstarrung aus Meggies Körper gewichen war. Dann schob er seine Hand unter ihr Kinn, hob ihren Kopf zu sich hoch, bis sie ihn anblickte, und küßte sie ohne einen weiteren Gedanken. Es war ein verworrener Impuls, dem nichts von Begehrlichkeit anhaftete, eine instinktive Reaktion, als er den Ausdruck in der Tiefe der grauen Augen sah.
    Ihre Arme glitten unter seinen Armen empor, schlangen sich fest um ihn. Er zuckte unwillkürlich zusammen und stöhnte leise. Sie bog Kopf und Oberkörper ein Stück zurück. »Was ist?« »Ich muß mir bei der Landung die Rippen geprellt haben. Wir versackten im guten alten Gilly-Schlamm und standen schließlich kopf. Ich hing am Ende auf der Rückenlehne des Sitzes vor mir.« »Laß mich mal sehen.«
    Mit ruhigen Fingern knöpfte sie ihm das noch immer recht feuchte Hemd auf, ließ es über seine Schultern und Arme herabgleiten, zog und zupfte es aus seiner Reithose. Unter der glatten, braunen Haut zog sich, tief am Brustkorb, ein rötlicher Streifen von der einen Seite zur anderen.
    »Oh, Ralph!« sagte Meggie erschrocken. »Und trotzdem bist du von Gilly hierhergeritten? Du mußt ja fürchterliche Schmerzen gehabt haben! Hast sie natürlich noch! Ist dir davon nicht übel, schwindlig? Da muß irgend etwas gebrochen oder gerissen sein, und ...« »Nein, nein, es ist sicher nichts weiter. Ich fühle mich soweit gut. Beim Reiten habe ich nichts gespürt, habe nicht weiter darauf geachtet, es wohl einfach aus meinem Bewußtsein verdrängt. Aber wenn es etwas Ernstes wäre, eine innere Blutung etwa, dann wäre mir das bestimmt ... Gott, Meggie, nein, nicht!« Sie hatte ihren Kopf vorgebeugt, sacht berührten ihre Lippen die verletzte Stelle, ihre Hände schoben sich höher, über seine Brust zu seinen Schultern, eine Berührung so voller Zärtlichkeit und Sinnlichkeit, daß der Priester für Augenblicke völlig zu erstarren schien, im gleichen Maße entsetzt und gebannt. Dann jedoch, im verzweifelten Versuch, sich von ihr zu befreien, schob und zog er heftig ihren Kopf von sich fort, wollte es tun, tat es wohl auch, wenn auch längst nicht so heftig, so hart, wie er meinte. Und irgendwie kam es, daß er sie wieder in den Armen hielt, nur daß sie jetzt enger und fester an ihn geschmiegt war, eine Schlange, die alle Willenskraft von ihm zu nehmen schien.
    Vergessen waren seine Schmerzen, vergessen war die Kirche, vergessen war Gott. Er fand ihren Mund, zwang ihn hungrig auf, wollte mehr von ihr, immer mehr, schien ihn einfach nicht beschwichtigen, nicht absättigen zu können, jenen so grauenvollen Trieb in sich. Sie bot ihm ihren Hals, entblößte ihre Schultern. Kühl und glatt war ihre Haut und samtweich. Er hatte das Gefühl, tiefer und tiefer zu sinken, einem Ertrinkenden gleich. Der dunkle, bittere Wein seiner Sinne berauschte und beengte ihn, lieferte ihn hilflos aus. Und vielleicht war es dies, das Gefühl völligen Verlorenseins, das ihn im letzten Augenblick zu sich kommen und sich selbst wiederfinden ließ. Mit einem Ruck löste er sich von ihr, verharrte dann in seiner knienden Stellung, den Kopf gebeugt, wie tief in sich versunken, und seine Augen starrten auf seine Hände, die zitternd auf seinen Schenkeln lagen. Meggie, Meggie, was hast du nur mit mir gemacht? Was wäre noch geschehen, wenn ... wenn nicht ... »Meggie, ich liebe dich, und ich werde dich immer lieben. Aber ich bin ein Priester. Ich kann nicht ... ich kann

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