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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Schurarbeit: krummer Rücken und gleichsam verlängerte Arme. Statt dessen sah man bei ihnen die knappen und präzisen, doch sehr lockeren Bewegungen, wie man sie bei Männern findet, die im Sattel zu Hause sind. »Ist der neue Mann verheiratet?« fragte Fee, während sie mit Lineal und Federhalter säuberlich rote Linien zog.
    »Keine Ahnung, hab’ nicht gefragt. Werden’s morgen wissen, wenn er kommt.«
    »Und wie kommt er her?«
    »Jimmy fährt ihn zu uns raus. Will sowieso nach diesen alten Schöpsen in Tankstand sehen.«
    »Dann wollen wir nur hoffen, daß er eine Weile bleibt. Wenn er ledig ist, zieht er bestimmt schon in ein paar Wochen wieder weiter«, sagte Fee. »Ruhelose, wurzellose Leute, diese Viehtreiber.« Jims und Patsy waren inzwischen auf ihrer Boarding-School, dem Riverview College, unendlich weit von Drogheda also, und sie schworen Stein und Bein, daß sie keinen Tag länger auf der Schule bleiben würden, als es ihnen sozusagen von Gesetzes wegen aufgezwungen war, nämlich bis sie vierzehn wurden. Sie fieberten dem Tag entgegen, an dem sie mit Bob, Jack und Hughie auf die Koppeln hinausreiten konnten. Dann endlich würde Drogheda wieder so etwas werden können wie ein Familienbetrieb. Was übrigens die Familienleidenschaft fürs Lesen anging, so wurde ihnen Riverview auch der Bücher wegen um nicht einen Deut lieber. Ein Buch, das war etwas, das sich bequem in einer Sattel- oder Jackentasche mitnehmen und dann im mittäglichen Schatten eines Wilga-Baumes mit weit größerem Vergnügen lesen ließ als in einem Klassenraum der Jesuiten. Es war schon eine gewaltige Umstellung für sie gewesen, dieses Übersiedeln in ein Internat. Was kümmerte es sie da, daß die Klassenzimmer geräumig waren und große Fenster besaßen, durch die man hinausblicken konnte auf herrliches Grün; daß weite Spiel- und Sportplätze ebenso verfügbar waren wie üppige Gärten und anderes mehr; daß es hier in Sydney wunderbare Museen und Konzertsäle und Kunstgalerien gab? Sie schlossen sich mit den Söhnen anderer Viehzüchter zusammen und verbrachten ihre Freizeit dann in gemeinschaftlichem Heimweh, wobei sie natürlich nicht vergaßen, den Glanz und die Größe Droghedas gebührend herauszustellen. Ihre Worte wurden ebenso achtungsvoll wie gläubig aufgenommen, denn westlich von Burren Junction hatte jeder vom mächtigen Drogheda gehört.
    Meggie bekam den neuen Viehtreiber erst nach mehreren Wochen zu Gesicht. Luke O’Neill hieß er, und im großen Haus sprach man bereits viel häufiger von ihm, als man das sonst bei Viehtreibern zu halten pflegte. Zum einen hatte er sich geweigert, in der Baracke Quartier zu nehmen, und war statt dessen in das letzte leere Haus beim Creek gezogen, und zum andern überraschte er Mrs. Smith damit, daß er sich ihr vorstellte, wodurch er bei dieser Lady, die Viehtreiber sonst durchaus nicht mochte, einen Stein im Brett hatte, und zwar einen von nicht geringem Kaliber. Und so war Meggie bereits lange, bevor sie seine Bekanntschaft machte, sehr neugierig auf ihn.
    Da sie die braune Stute und den schwarzen Wallach im Stall unterbrachte, statt sie, wie die übrigen Treiberpferde, im Freien zu lassen, ergab es sich ganz automatisch, daß sie morgens immer etwas später aufbrach als die Männer. Daher kam es vor, daß sie außer ihren Brüdern manchmal längere Zeit keinen von ihnen sah. Nach zwei Wochen begegnete sie Luke O’Neill dann doch. An einem späten Nachmittag war es, als die Sonne schon tief über den Bäumen flammte, deren Schatten immer weiter fortkrochen und eintauchen wollten ins sanfte Vergessen der Nacht. Meggie kam von Borehead und strebte der Furtstelle im Creek zu, und Luke O’Neill kam von Südosten und ritt gleichfalls in Richtung Furt.
    Da die tiefstehende Sonne gegen ihn stand, sah sie ihn, bevor er sie sehen konnte. Er ritt einen großen, bösartigen, schwarzgefleckten Braunen mit schwarzer Mähne und schwarzem Schwanz. Da es zu ihren Aufgaben gehörte, sich auch um die pausierenden Arbeitspferde zu kümmern, kannte sie das Tier gut, und sie hatte sich bereits gewundert, wie es kam, daß es in letzter Zeit längst nicht so häufig auf den Rastplätzen zu finden war wie früher. Keiner der Männer hatte sich je um dieses Pferd gerissen, wenn irgend möglich, vermieden sie es, darauf zu reiten.
    Dem neuen Viehtreiber machte die Bösartigkeit des Braunen offenbar wenig aus, was mit Sicherheit besagte, daß er wirklich reiten konnte. Der Braune war unter anderem

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