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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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runde Augen zwinkerten heftig. »Na ja, nun, Miß Meggie, war doch ein großes Land und alles.« »Aber, Minnie! Es ist ungefähr so groß wie Drogheda! Und was dieses O’Neill angeht, da können Sie mir nichts vormachen. Das ist ein Oranier-Name.«
    »Das ist es. Aber es ist ein großer irischer Name, und es gab ihn schon lange, bevor man je etwas von Orangisten hörte. Es ist ein Name aus den Ulster-Provinzen, und da konnte es wohl gar nicht anders sein, daß es später auch ein paar Orangisten mit diesem Namen gab, nicht? Aber da war früher der O’Neill von Clandeboy und der O’Neill Mor, Miß Meggie, Liebling.«
    Meggie gab den Kampf auf. Was hinter diesem etwas verschlungenen Wortgefecht stand, war dies: Orangisten hatte man die Anhänger des politischen Protestantismus in Nordirland genannt, jene also, die mit den Engländern sympathisierten und deshalb den übrigen Iren verhaßt waren. Auf der Gegenseite bildeten sich nicht selten Geheimbünde, welche sich den Sturz der englischen Herrschaft zum Ziel setzten, etwa jener der »Fenier«, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aber wie immer dem auch sein mochte, in Minnie pulsierte offenbar längst kein Fenier-Blut mehr, kein kämpferisches zumindest, sie konnte das Wort »Orangisten« aussprechen, ohne gleich auf die Barrikaden zu gehen.
    Etwa eine Woche später begegnete Meggie unten am Creek abermals Luke O’Neill. Sie nahm an, daß er es eigens so eingerichtet hatte. Doch was half s? Sie konnte es ja nicht verhindern. »Guten Tag, Meghann.«
    »Guten Tag«, erwiderte sie, den Blick krampfhaft auf eine Stelle zwischen den Ohren ihrer Stute gerichtet.
    »Nächsten Samstagabend gibt’s auf Braich y Pwll einen Schurhüttenball. Kommen Sie mit mir mit?«
    »Danke, aber ich kann nicht tanzen, es hätte also keinen Sinn.« »Na, wie man das Tanzbein schwingt, das bringe ich Ihnen im Handumdrehen bei, das ist kein Hindernis. Was meinen Sie, wo ich nun mit der Schwester vom Squatter hinfahre, wird Bob mir da den alten Rolls leihen, vielleicht sogar den neuen?«
    »Ich habe doch gesagt, daß ich nicht mitkomme!« erklärte sie aufgebracht.
    »Sie haben gesagt, daß Sie nicht tanzen können, und ich habe gesagt, daß ich’s Ihnen beibringen werde. Davon, daß Sie nicht mit mir mitkommen würden, wenn Sie tanzen könnten, haben Sie nichts gesagt. Daher nahm ich an, Sie hätten nur was gegen das Nicht-Tanzen-Können, nicht aber gegen mich. Wollen Sie jetzt kneifen?« Sie funkelte ihn böse an, doch er lachte nur.
    »Sie sind verhätschelt, völlig verzogen, kleine Meghann. Es wird Zeit, daß Sie nicht immer Ihren Kopf durchsetzen können.« »Ich bin nicht verhätschelt!«
    »Wem wollen Sie das erzählen!? Das einzige Mädchen, lauter Brüder, die Schwesterchen sicher nichts abschlagen können, all dieses Land und Geld, ein tolles Haus, Personal - nicht? Ich weiß, es gehört der katholischen Kirche, aber den Clearys fehlt’s ja auch nicht gerade an Kleingeld, oder?«
    Das war der große Unterschied, dachte sie plötzlich triumphierend, der Unterschied zwischen den beiden Männern, den sie bisher nicht hatte genauer umreißen können. Ralph de Bricassart hätte sich nie mit dem äußeren Anschein zufriedengegeben, dieser Luke O’Neill hingegen begnügte sich mit der Fassade, konnte sich offenbar einfach nicht vorstellen, daß es dahinter ganz anders aussehen mochte. Ja, es fehlte ihm nun einmal an Vorstellungskraft und Einfühlungsvermögen. Er ritt durchs Leben, ohne sich auch nur im mindesten Gedanken zu machen über eben dieses Leben, über Verwicklungen, Verkettungen, über Schmerzen. Als Luke O’Neill wegen des Rolls fragte, gab Bob ihm wortlos und offenkundig verwirrt die Schlüssel für den neuen. Einen Augenblick musterte er Luke sehr aufmerksam, dann grinste er. »Hab’ nie daran gedacht, daß Meggie mal zum Tanzen gehen könnte. Aber führ sie nur aus, Luke, bin sehr dafür. Wird ihr gefallen, dem armen kleinen Spatz. Sie kommt ja so selten mal raus. Wir hätten uns schon selber drum kümmern sollen, aber irgendwie denken wir nie dran.«
    »Warum kommt ihr andern nicht auch mit, ihr Cleary- Brüder, meine ich?« fragte Luke, der gegen ihre Gesellschaft offenbar nichts einzuwenden hatte.
    Bob schüttelte den Kopf. Der bloße Gedanke schien ihn zu entsetzen. »Nein, danke, wir sind aufs Tanzen nicht wild.« Meggie zog ihr Asche-der-Rosen-Kleid an. Weil sie nichts anderes besaß. Obwohl es an Geld dafür wirklich nicht fehlte, hatte sie ganz

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