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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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vertraut vorkommt und dennoch so schrecklich unvertraut ist.«
    »Wie heißen Sie mit Vornamen, kleine Miß Cleary?« »Meggie.«
    »Meggie ... klingt mir, wie soll ich sagen, nicht angemessen genug, paßt gar nicht zu Ihnen. Sie sollten eher Belinda heißen oder Madeline, aber wenn Meggie das Beste ist, was Sie zu bieten haben, dann soll’s mir recht sein. Wofür steht Meggie - Margaret?« »Nein, Meghann.«
    »Aber das paßt doch viel besser! Ich werde Sie Meghann nennen.« »Nein, das werden Sie nicht!« fauchte sie. »Ich verabscheue den Namen!«
    Aber er lachte nur. »Sie setzen wohl meist Ihren Kopf durch, kleine Miß Meghann, wie? Wenn ich Sie Eustacia Sophronia Augusta nennen will, dann tu’ ich das auch, wissen Sie.«
    Sie hatten die Viehhöfe erreicht. Er glitt von seinem Braunen herunter, brachte das bissige Biest, das sofort nach ihm schnappte, mit einem kurzen Fausthieb zur Räson und stand dann, wartend. Offenbar nahm er an, sie werde ihm ihre Hände entgegenstrecken, so daß er ihr von der Stute herunterhelfen konnte. Doch sie trieb das Pferd mit einem Schenkeldruck weiter den Weg entlang. »Stellen Sie Ihre feine Pferdedame nicht zu den gewöhnlichen alten Treibergäulen?« rief er hinter ihr her. »Allerdings nicht!« antwortete sie, ohne sich umzublicken. Oh, es war nicht fair, wirklich nicht! Denn wenn man ihn so stehen sah, diesen Luke O’Neill, so glich er Pater Ralph noch mehr als zuvor: war so hochgewachsen, war gleichfalls in den Schultern sehr breit und in den Hüften sehr schmal, bewegte sich mit unverkennbarer Geschmeidigkeit, mit dem einzigen Unterschied, daß es bei Pater Ralph die Geschmeidigkeit des Tänzers war, bei Luke O’Neill hingegen die eines Athleten. Und sonst? Das gleiche dichte und wellige schwarze Haar, die gleichen blauen Augen, die Nase genauso feingeformt und gerade, der Mund genauso gut geschnitten. Und dennoch, ja, dennoch war er Pater Ralph im Grunde nicht ähnlicher als einer der sogenannten Geisterbäume, so hoch und fahl und prachtvoll, einem Blauen Gummibaum, gleichfalls hoch und fahl und prachtvoll.
    Nach dieser zufälligen Begegnung hielt Meggie die Ohren offen, um sich nichts von dem entgehen zu lassen, was über Luke O’Neill gesprochen wurde. Bob, Jack und Hughie waren mit seiner Arbeit zufrieden und schienen gut mit ihm auszukommen. Von einem Faulpelz, so Bob, habe er nun wirklich nichts an sich. Sogar Fee kam eines Abends auf ihn zu sprechen. Er sei ein sehr stattlicher Mann, meinte sie.
    »Erinnert er dich an jemanden?« fragte Meggie. Lang auf dem Bauch ausgestreckt, lag sie auf dem Teppich und las in einem Buch. Fee überlegte einen Augenblick. »Nun, vielleicht ein bißchen an Bischof de Bricassart - der gleiche Körperbau, die gleiche Haar- und auch Augenfarbe. Aber besonders auffällig ist die Ähnlichkeit nicht, dazu sind sie als Männer zu verschieden.« Sie schwieg einen Augenblick. »Meggie«, sagte sie dann, »ich wünschte wirklich, du würdest dich zum Lesen in einen Sessel setzen, wie sich das für eine Lady gehört! Nur weil du Jodhpurs anhast, brauchst du noch lange nicht allen Anstand zu vergessen.«
    »Pah!« sagte Meggie. »Als ob das jemandem auffällt!« So war es also: Es bestand zwar eine Ähnlichkeit, doch die Männer hinter den Gesichtern glichen einander wenig, eine für Meggie quälende, wenn nicht verstörende Gewißheit. Denn sie liebte den einen und verübelte es dem anderen, daß sie ihn attraktiv fand. Im übrigen stellte sich heraus, in welchem Maße er in der Küche erkorener Liebling war und wieso er es sich leisten konnte, weiße Hemden und weiße Breeches zu tragen. Keine andere als Mrs. Smith wusch und bügelte für ihn, war also ein Opfer seines offenbar unwiderstehlichen Charmes, und keinesfalls das einzige. »Aach, was für ein prachtvoller Ire ist er doch!!« seufzte Minnie verzückt.
    »Er ist ein Australier«, sagte Meggie provozierend. »Vielleicht hier geboren, Miß Meggie, Liebling, aber mit einem Namen wie O’Neill ist er genauso Ire, wie Ihr Daddy Ire war, Miß Meggie - was nicht disrespektierlich gemeint ist, wirklich nicht. Möge der gute Paddy Cleary oben im Himmel mit den Engeln singen, Friede seiner Seele. Aber Luke O’Neill kein Ire, mit seinem schwarzen Haar und seinen blauen Augen? Ich sage Ihnen, Miß Meggie, Liebling, in alten, längst vergangenen Zeiten waren die O’Neills die Könige von Irland.«
    »Ich dachte, das seien die O’Connors gewesen«, sagte Meggie belustigt.
    Minnies kleine,

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