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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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versucht, ihr die Wahrheit zu sagen : daß da kein Baby sein würde, bevor die Station nicht Wirklichkeit geworden war. Aber irgend etwas in ihrem Gesicht bewog ihn, das nicht zu tun.
    »Na, das warten wir mal in aller Ruhe ab, Meg, nicht? War’ wohl das beste, wenn wir keins kriegen, bevor wir unsere Station haben.«
    Kein eigenes Heim, kein Geld, kein Baby. Genaugenommen nicht einmal einen Ehemann. Meggie begann zu lachen, und Luke stimmte in ihr Lachen ein, seine Teetasse wie für einen Trinkspruch erhoben. »Auf die Pariser«, sagte er und schien sich über Meggies erstaunten Blick sehr zu amüsieren. Natürlich konnte sie die Anspielung nicht verstehen.
    Am nächsten Morgen fuhren sie mit dem normalen Verkehrsbus nach »Himmelhoch«. Es war ein alter Ford, in dem zwölf Personen Platz hatten. Fensterscheiben gab es nicht, wohl schon lange nicht mehr. Meggie fühlte sich an diesem Tag besser, weil Luke sich mit der Brust begnügt hatte, die sie ihm bot, so daß ihr diese andere furchtbare Sache erspart blieb. Sosehr sie sich auch ein Baby wünschte, so wollte sie doch erst einmal abwarten, bis sie da unten nicht mehr wund war, dann konnten sie es ja, nächsten oder übernächsten Sonntag, wieder versuchen. Sollte jedoch bereits ein Baby unterwegs sein, so brauchten sie das ja erst wieder zu tun, wenn sie sich das nächste wünschte. Und so sah die Welt an diesem Tag für sie doch schon freundlicher aus. Voll Interesse blickte sie durch die unverglasten Fenster, während der Bus über das rote Band der ungepflasterten Landstraße schnaufte.
    Ganz anders als um Gilly sah es hier aus. Ganz, ganz anders sogar. Aber die Landschaft war wirklich wunderschön, gar kein Zweifel. Schon auf den ersten Blick ließ sich erkennen, daß hier nie Mangel an Wasser herrschte. Der Erdboden hatte die Farbe frischen Blutes, ein leuchtendes Scharlachrot, und das Zuckerrohr auf den Feldern bildete dazu einen starken Kontrast. Auf den Stengeln, die bis zu sieben Meter hoch wuchsen, stark und dick wie ein Männerarm und von rötlicher Färbung, befanden sich grüne, maisähnliche Blätter. Nirgendwo sonst auf der Welt, behauptete Luke stolz, wachse das Zuckerrohr so hoch und werfe einen solchen Ertrag ab. Und was den roten Erdboden betreffe, so handle es sich da nicht etwa um eine dünne Schicht, o nein, sie sei rund dreißig Meter dick und enthalte an Nährstoffen einfach alles, was das Zuckerrohr brauche. Es müsse hier also ganz einfach hundertprozentig gedeihen, zumal bei dem Regen. Und nirgends sonst auf der Welt werde Zuckerrohr von weißen Männern geschnitten: in dem fiebrigen, geldhungrigen Tempo des weißen Mannes.
    »Du bist ja eine richtige Rednernatur, Luke«, sagte Meggie ironisch. Er musterte sie mißtrauisch, schwieg jedoch, denn der Bus hielt, und sie waren am Ziel.
    »Himmelhoch« lag auf einem Hügel, ein großes, weißes Haus, rings umgeben von Kokospalmen, Bananenpalmen und wunderschönen kleineren Palmen, deren Wedel sich nach außen fächerten wie Pfauenschwänze. Ein über zehn Meter hoher Bambushain bot dem Haus leidlich Schutz vor den Nordwestwinden. Im übrigen stand es trotz seiner Hügellage auf vier bis fünf Meter hohen Pfählen.
    Luke trug den Koffer, Meggie ging an seiner Seite, nach wie vor »korrekt« gekleidet, also mit hochhackigen Schuhen, Seidenstrümpfen und mit einem Hut, der gleich einer welken Blume schlaff um ihr Gesicht zu hängen schien.
    Wie sich zeigte, war der Zuckerrohrbaron zwar nicht zu
    Hause, aber seine Frau kam auf die Veranda, als Luke und Meggie die Treppe emporstiegen. Sie bewegte sich mit Hilfe von zwei Stöcken voran und lächelte. Als Meggie das freundliche Gesicht sah, fühlte sie sich sofort wohler.
    »Kommen Sie herein, kommen Sie herein!« sagte sie mit starkem australischem Akzent.
    Meggie hatte natürlich eine deutsche Stimme erwartet, und durch den vertrauten australischen Akzent fühlte sie sich in noch stärkerem Maße erleichtert. Luke stellte Meggies Koffer auf den Boden, wechselte mit der Hausherrin nur einen kurzen Händedruck und eilte schon wieder die Treppe hinunter. Er wollte unbedingt wieder mit dem Bus zurück, weil Arne Swenson ihn um zehn Uhr vom Hotel abholen sollte.
    »Wie heißen Sie mit Vornamen, Mrs. O’Neill?« »Meggie.«
    »Oh, wie hübsch. Ich heiße Anne, und es wäre mir auch lieber, wenn Sie mich Anne nennen wollten. Mein letztes Mädchen ist vor einem Monat fort, und seitdem war’s hier so einsam. Aber eine gute Haushilfe zu bekommen, ist

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