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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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nicht leicht, und so habe ich mich allein beholfen. Zu kümmern brauchen Sie sich hier nur um Luddie und mich, Kinder haben wir nicht. Ich hoffe, es wird Ihnen bei uns gefallen, Meggie.«
    »Ganz bestimmt, Mrs. Müller ... Anne.«
    »Ich möchte Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Werden Sie mit dem Koffer fertig? Beim Tragen, fürchte ich, kann ich nicht viel helfen.« Das Zimmer war keineswegs luxuriös möbliert, was übrigens für das ganze Haus zu gelten schien, doch es ging auf dieselbe Veranda hinaus wie das Wohnzimmer, und die Aussicht wurde durch keinerlei »Windbrecher« behindert.
    Anne erklärte, was es mit dem eher kärglich wirkenden Mobiliar auf sich habe. »Für Samt- oder Seidenbezüge oder sonst etwas in der Art ist es hier oben ganz einfach zu heiß«, sagte sie. »Und so leben wir also gewissermaßen mit Korbmöbeln und ziehen uns so wenig an, wie es der Anstand gerade noch erlaubt. Ich fürchte, da werden Sie sehr schnell einiges lernen müssen, denn in Ihrer Kleidung - also, nein, darin kommen Sie ja glatt um.«
    Sie trug ein tiefausgeschnittenes, ärmelloses Oberteil und ein Paar Shorts, aus dem gleichsam hilflos ihre verdrehten Beine hervorstaken. Jedenfalls dauerte es nicht lange, und Meggie hatte selbst solche Shorts und ein solches Oberteil an - von Anne geliehen natürlich, sanft, doch nachdrücklich von ihr dazu gedrängt. Meggie genierte sich zuerst sehr, doch noch größer war ihre Beschämung darüber, Anne erklären zu müssen, daß Luke ihr nicht genügend lasse, daß sie sich selbst etwas kaufen könne ... ja, eigentlich nichts. »Nun, Sie sehen in meinen Shorts jedenfalls viel hübscher aus als ich«, versicherte Anne und fuhr dann in der Aufzählung wichtiger Punkte fort: »Das Brennholz bringt Luddie. Sie brauchen es weder zu hacken noch die Treppe heraufzuschleppen. Ich wünschte, wir hätten schon elektrischen Strom wie die Häuser, die näher zu Dunny hin liegen, aber bei der Verwaltung geht ja alles so grauenvoll langsam. Vielleicht verlegen sie die Leitung im nächsten Jahr bis nach >>Himmelhoch<, doch bis dahin müssen wir uns noch mit dem scheußlichen alten Holzherd begnügen, fürchte ich. Aber warten Sie nur, Meggie! In dem Augenblick, in dem wir elektrischen Strom bekommen, haben wir elektrisches Licht, einen Elektroherd und einen Kühlschrank.«
    »Ich bin es gewohnt, ohne all das zurechtzukommen.« »Das mag schon sein, nur, bei Ihnen unten im Süden ist die Hitze trocken. Das hier ist viel, viel schlimmer. Ich habe Angst, daß Ihre Gesundheit vielleicht darunter leiden könnte. Das geschieht oft bei Frauen, die nicht hier geboren und aufgewachsen sind. Hat irgendwas mit dem Blut zu tun. Wir liegen genauso weit südlich vom Äquator wie Bombay und Rangun nördlich vom Äquator, wissen Sie, und das sind Breiten, die weder für Mensch noch Tier taugen, es sei denn, man ist da geboren.« Sie lächelte. »Oh, ich freue mich schon jetzt so sehr, daß Sie hier sind! Wir beide werden zusammen bestimmt eine wunderbare Zeit verleben! Lesen Sie gern? Bei Luddie und mir ist das eine wahre Leidenschaft.« Meggies Augen glänzten. »O ja!«
    »Großartig! Ich glaube, Sie werden Ihren großen, stattlichen Mann gar nicht so sehr vermissen.«
    Meggie schwieg. Luke vermissen? Nun, sie hatte sehr stark das Gefühl, daß sie am glücklichsten wäre, wenn sie ihn nie mehr wiedersah. Aber natürlich, er war nun einmal ihr Mann, und Gesetz und Gebot wollten, daß sie ihr Leben mit ihm teilte. Schließlich hatte ihr niemand diese Entscheidung aufgezwungen, sie selbst hatte sie getroffen, aus völlig freien Stücken und mit offenen Augen. Vielleicht brauchte auch wirklich alles nur Geduld und Zeit, viel Geduld und viel Zeit: bis sie das Geld für die Station in Western Queensland zusammenhatten, bis diese Station und ein gemeinsames Leben für sie beide Wirklichkeit wurden.
    Er war ja kein schlechter oder widerwärtiger Kerl, nein, das konnte man wohl nicht sagen. Nur verstand er nicht recht, sein Leben mit einem anderen Menschen zu teilen. Dafür war er offenbar zu lange allein gewesen. Außerdem ging er in der Art einfacher Menschen, die keine andere Methode kennen, sehr direkt und sehr energisch auf sein Ziel los, ein sehr konkretes Ziel, wie denn selbst die Träume solcher Männer immer etwas sehr Handfestes hatten. Und mußte man ihn dafür nicht achten? Keinen Augenblick kam ihr der Gedanke, er könne das Geld zum eigenen Vergnügen verwenden. Er hatte es genauso gemeint, wie er es gesagt hatte:

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