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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Schweiß, vor allem auf Brust, Rücken und Armen, rosafarbene Bahnen gezeichnet hatte.
    »Das ist der Ruß und der Dreck vom Zuckerrohr«, erklärte Arne. »Bevor wir’s schneiden können, müssen wir’s abbrennen.« Er bückte sich, hob zwei gleichartige Gegenstände auf, reichte den einen Luke O’Neill. »Dies ist das Schnitt- oder auch Haumesser«, sagte er, während er seines in der Hand wog. »Hiermit schneidet man das Zuckerrohr - kinderleicht, wenn man weiß wie.« Er grinste, demonstrierte sodann den Arbeitsvorgang, wobei er die Sache vermutlich weit leichter aussehen ließ, als sie es in Wirklichkeit war. Luke blickte auf das tödliche Gerät in seiner Hand, das sich von den Macheten, wie sie im tropischen Amerika zum Zuckerrohrschneiden verwendet wurden, deutlich unterschied. Die Klinge verbreiterte sich dreieckförmig, an einem Ende der Schneide befand sich eine Art Sporn oder Dorn.
    »Eine Machete«, erklärte Arne, »wäre für das Zuckerrohr hier in North Queensland zu klein. Dies ist gerade das richtige Arbeitsgerät, wie Sie sehen werden. Schön scharf halten - na, und denn: viel Glück.«
    Er drehte sich um und verschwand. Für ihn wurde es Zeit, seinen eigenen Arbeitsabschnitt in Angriff zu nehmen. Einen Augenblick lang stand Luke noch unentschlossen. Dann zuckte er mit den Achseln und begann zu arbeiten. Nach wenigen Minuten wußte er, weshalb man das Zuckerrohrschneiden früher Sklaven überlassen hatte, weshalb man es anderswo auch heutzutage noch Rassen überließ, die offenbar nicht wußten, daß man sich sein Geld auf leichtere Weise verdienen konnte - mit Schafscheren zum Beispiel, dachte er in einer Art Galgenhumor. Sich bücken, dann hacken, sich wieder aufrichten. Nun ließ man den sogenannten Stengel - den Schaft oder Stamm des Zuckerrohrs - durch beide Hände gleiten, bis man zu den Blättern gelangte. Diese wurden abgehackt und auf einen Haufen geworfen. Und weiter ging’s zur nächsten Pflanze, unaufhörlich im gleichen Rhythmus: bücken, hacken, sich aufrichten; Schaft durch die Hände gleiten lassen, wieder hacken, Blätter auf den Haufen werfen ...
    Im Zuckerrohr wimmelte es von Ungeziefer: Ratten, Kröten, Spinnen, Schlangen, Wespen, Fliegen, Bienen. Was auch immer gemein beißen oder stechen konnte, hier schien es sich zu finden. Das war auch der Grund, weswegen die Schnitter das Zuckerrohr, bevor sie an ihre eigentliche Arbeit gingen, erst einmal »abbrannten«. Das Feuer erfaßte jedoch nur die untersten Hülsenblätter am Fuß des Stammes. Es hieß sogar, daß der Zuckergehalt dadurch noch erhöht werde. Jedenfalls sollte durch das Abbrennen das Ungeziefer vertrieben werden, und den Ruß und Dreck bei der Arbeit nahmen die Schnitter dafür gern in Kauf. Allerdings blieb trotz des Feuers noch immer genügend Getier übrig, so daß die Männer dennoch eine Menge Bisse und Stiche abbekamen. Hätte Luke nicht die schützenden Schuhe und Socken getragen, er wäre an den Füßen noch übler zugerichtet worden als an den Händen. Übrigens fiel es keinem Schnitter ein, sich etwa Handschuhe überzustreifen. Das hätte sie bei der Arbeit behindert, und gerade in diesem Job war Zeit Geld. Außerdem waren Handschuhe etwas für Weichlinge. Gegen Sonnenuntergang kam Arne, um zu sehen, wie Luke sich geschlagen hatte.
    »Donnerwetter, Kumpel, nicht übel!« rief er und gab Luke einen anerkennenden Schlag auf die Schulter. »Fünf Tonnen! Wirklich nicht übel für den ersten Tag! «
    Der Weg zur Baracke war nicht weit. Doch die tropische
    Nacht kam so schnell, so fast übergangslos, daß bereits Dunkelheit herrschte, als Arne mit seiner Gruppe die Unterkunft erreichte. Zunächst spülten sich alle in der Gemeinschaftsdusche den Dreck herunter, und erst jetzt gingen sie, ein Handtuch um die Hüfte geschlungen, in die Baracke, wo der Schnitter, der gerade Kochdienst hatte, wahre Berge von Essen für sie bereithielt. An diesem Tag gab es Steaks und Kartoffeln, Damper-Brot und Obstpudding. Die Männer stürzten sich mit einem ungeheuren Wolfshunger darauf und ließen auch nicht einen einzigen Bissen übrig.
    Es war eine Wellblechbaracke. Im Schlafraum standen zwei Reihen metallener Bettgestelle mit Matratzen. Nackt ließen sich die Männer auf die ungebleichten Laken fallen, fluchten auf dieses ganz und gar gottverdammte Zuckerrohr, zogen währenddessen von den Ringen oben die Moskitonetze herab und waren wenige Augenblicke später auch schon eingeschlafen - undeutlich wahrnehmbare Gestalten

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