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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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kommen und lange genug bleiben werde, um dem so leeren Leben seiner Frau einen Sinn zu geben.
    Als sie ihnen erzählte, was im Brief stand, zeigten sie sich entzückt; insgeheim blieben sie jedoch skeptisch.
    »Ich möchte fast wetten, daß dieser Schubiak noch eine Ausrede findet, um ohne sie zu reisen«, sagte Anne zu Luddie.
    Luke hatte sich von irgendwem ein Auto geliehen, und er kam am frühen Morgen, um Meggie abzuholen. Dünn sah er aus und gelblich, wie verschrumpft. Meggie musterte ihn erschrocken. Sie reichte ihm ihren Koffer und kletterte auf den Beifahrersitz.
    »Was ist das, die Weilsche Krankheit, Luke? Du hast geschrieben, daß du außer Gefahr bist, aber du scheinst doch sehr krank gewesen zu sein.«
    »Die Weilsche Krankheit? Ach, das ist nur so eine Art Gelbsucht, und früher oder später erwischt sie jeden Schnitter. Übertragen wird sie durch die Ratten im Zuckerrohr, wenn in der Regel auch nur indirekt. Wenn du irgendwo eine Wunde hast, wenn auch nur eine ganz kleine, so kannst du dir so etwas leicht holen. Ich bin noch in ziemlich guter Verfassung und war längst nicht so böse daran wie so mancher andere, den es erwischt hat. Die Ärzte meinen, ich wär’ bestimmt bald wieder topfit.«
    Die Straße, der sie folgten, führte durch eine große, dschungelüberwucherte Schlucht immer weiter landeinwärts. Auf der einen Seite schoß das tosende, tobende Wasser eines breiten Flusses dahin. Sie kamen zu einer Stelle, wo es vom Felsen auf der anderen Seite wie ein ausfächerndes Band herabstürzte: ein Wasserfall, der über der Straße gleichsam einen mächtigen Torbogen bildete, bevor er sich mit dem schäumenden Fluß vereinigte. Unter diesem Bogen fuhren sie durch und erlebten ein phantastisches Spiel von Licht und Schatten.
    Weiter ging es, und je höher sie kamen, desto kühler und erfrischender wurde die Luft. Meggie hatte gar nicht mehr gewußt, wie unglaublich belebend solch herrliche Luft wirken konnte. Der Dschungel schob sich immer dichter heran, er erschien undurchdringlich. Unter den allbeherrschenden Lianen, die sich wie endlose Girlanden in dichter Fülle von Baum zu Baum zogen, ließen sich nicht allzu viele Einzelheiten erkennen. Wie eine riesige Decke aus grünem Samt breitete es sich über den Urwald. Da und dort sah Meggie wunderschöne Blumen und Schmetterlinge. Spinnen hatten große Netze gespannt und lauerten in deren Mitte reglos auf Beute. An moosüberzogenen Stämmen wuchsen phantastische Pilze. Vögel mit langen, am Boden schleifenden roten oder gelben Schwänzen stolzierten umher.
    Lake Eacham lag ganz oben auf dem Tafelland, idyllisch in idyllischer Umgebung. Bevor es Nacht wurde, traten beide hinaus auf die Veranda ihres Boarding-Hauses und blickten über das stille Wasser. Meggie wollte jene fledermausartigen Tiere beobachten, die man fliegende Füchse oder auch fliegende Hunde nannte. Wie Unheilsboten strebten sie oft zu Tausenden jenen Orten zu, wo sie Futter fanden. Widerlich und abstoßend wirkten sie und waren dabei überaus scheu und völlig harmlos. Wenn man sah, wie sie in gleichsam pulsierenden Scharen über den dunkelnden Himmel hinwegzogen, so empfand man eine eigentümliche Beklemmung. Meggie hatte sie oft und oft von der Veranda auf »Himmelhoch« beobachtet. Es war herrlich, sich aufs weiche, kühle Bett sinken lassen zu können, ohne daß man nach einiger Zeit fortrücken mußte von der Stelle, wo man gerade lag, weil sie völlig von Schweiß durchnäßt war. Luke holte ein flaches braunes Päckchen aus seinem Koffer, nahm eine Handvoll runder Gegenstände heraus und legte sie in einer Reihe auf den Nachttisch.
    Meggie streckte die Hand nach einem dieser Objekte aus, betrachtete es neugierig. »Was, um Himmels willen, ist das?« »Ein Pariser.« Daß er sich zwei Jahre zuvor vorgenommen hatte, ihr nichts von der von ihm praktizierten Empfängnisverhütung zu sagen, war ihm längst entfallen. »Das streife ich mir über, bevor ich in dich reinkomme. Sonst würde ich dir vielleicht ein Kind machen, und das können wir nicht brauchen, ehe wir nicht unsere Station haben.« Nackt saß er auf dem Bettrand und wirkte in der Tat sehr dünn. Die Hüftknochen staken vor, man konnte jede Rippe sehen. Doch seine Augen glänzten. Er streckte die Hand aus und umschloß mit seinen langen Fingern Meggies Hand, die das Präservativ hielt. »Fast haben wir’s geschafft, Meggie, fast haben wir’s geschafft! Noch etwa fünftausend Pfund, schätze ich, und wir können uns

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