Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
heißt, einmal ist es natürlich schon ausgeblieben - als Justine unterwegs war. Ja, ich bin schwanger, Anne, ich weiß es.«
    »Mein Gott!« Anne starrte Meggie fassungslos an. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, stammelte dann: »Aber wenn es nun doch ein falscher Alarm ist ...«
    Meggie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »O nein. Ich bin schwanger. Es gibt gewisse Dinge, die man ganz einfach weiß.« »Eine schöne Bescherung«, murmelte Anne undeutlich. »Aber, Anne, seien Sie doch nicht blind! Begreifen Sie denn nicht? Verstehen Sie denn nicht, was dies für mich bedeutet? Ich kann Ralph nie haben. Ich habe immer gewußt, daß ich ihn nie würde haben können. Und doch habe ich, ja, ich habe!« Sie lachte, und ihre Arme schlangen sich so fest um das Baby, daß Anne fürchtete, es werde anfangen zu schreien. Überraschenderweise blieb es jedoch still. »Ich habe das von Ralph, was die Kirche nie haben kann - was von Generation zu Generation weitergeht. Durch mich wird Ralph weiterleben, denn ich weiß, daß es ein Sohn sein wird. Und dieser Sohn wird Söhne haben, und sie werden wieder Söhne haben - ich werde Gott doch noch das Nachsehen geben. Ich liebe Ralph, seit ich zehn war, und wenn ich auch hundert Jahre alt werden sollte, ich würde ihn wohl noch immer lieben. Aber er gehört nicht mir, während dieses Kind mir gehören wird. Mir, Anne, mir!« Doch die leidenschaftliche Erregtheit, der fast ekstatische Zustand klang ab, Meggie war wieder die Meggie, wie Anne sie sonst immer gekannt hatte, voller Freundlichkeit, voller Liebreiz - war all das und war doch nicht die alte Meggie. In ihr wurde eine Kraft spürbar, wie man sie zuvor kaum hatte ahnen können: die fast unerschöpfliche Kraft zum Ertragen. Wie ein Geflecht aus biegsamem, sehr elastischem Stahl schien es ihr Wesen zu durchziehen. Was, dachte Anne, habe ich nur getan? War es vielleicht doch völlig verkehrt, Ralph de Bricassart zu ihr nach Matlock zu schicken? Hat sie das womöglich von Grund auf verwandelt? Und ist es vielleicht nicht nur ein Geflecht aus Stahl in ihrem Wesen? Ist ihr Wesen wie aus Stahl?
    »Meggie, wenn Sie mich ein bißchen lieb haben, wollen Sie bitte eines nie vergessen?«
    Die grauen Augen sahen sie sehr direkt an. »Ich will’s versuchen.« »Genau wie ich haben Sie doch so manches von Luddies Büchern gelesen?« »Ja, natürlich.«
    »Einige handeln von den alten Griechen, und sie haben mich immer besonders fasziniert. Es heißt, die Griechen hätten für alles ein Wort gehabt, und es habe keine menschliche Situation gegeben, die von ihnen nicht beschrieben worden sei.«
    »Ich weiß. Von diesen Büchern habe ich auch einige gelesen.« »Dann erinnern Sie sich sicher auch daran, daß die Griechen sagen, es sei eine Sünde wider die Götter, etwas über alle Maßen zu lieben. Wenn jemand so sehr geliebt werde, so sagen sie auch, dann errege das den Neid der Götter, die nicht zögerten, das Objekt einer solchen Liebe in der Blüte seines Lebens zu vernichten.« Sie schwieg einen Augenblick. »Meggie, es ist profan, zu sehr zu lieben.« »Profan, Anne? Das gibt mir das Stichwort! Ich werde Ralphs Baby nicht profan
    lieben, sondern mit der Reinheit der Heiligen Jungfrau.«
    Annes braune Augen wirkten sehr traurig. »Hat sie ihn mit solcher Reinheit geliebt? Schließlich traf es das Objekt ihrer Liebe in der Blüte seiner Jahre, nicht wahr?« Meggie legte Justine in die Wiege zurück. »Es ist nun einmal, wie es ist. Ralph kann ich nicht haben, wohl aber sein Baby. Endlich spüre ich ... ja, ich spüre, daß mein Leben einen Sinn haben könnte, daß es ihn haben wird! Das war wohl das Schlimmste an den vergangenen dreieinhalb Jahren. Ich fing an zu glauben, daß mein Leben gar keinen Sinn und gar keinen Zweck habe.« Sie lächelte kurz, und selbst aus diesem flüchtigen Lächeln sprachen ihr neuer Lebenswille, ihre unvermutete Energie. »Ich werde dieses Kind auf jede mir mögliche Weise schützen, was immer mir das auch abverlangen mag. Und niemand, auch Luke nicht, wird mich daran hindern, ihm den einzigen Namen zu geben, den ich ihm geben kann. Schon bei dem Gedanken, mit Luke zu schlafen, wird mir übel, aber ich werde es tun. Ich würde sogar mit dem Teufel schlafen, wenn das dem Kind später nützen würde. Dann kehre ich heim nach Drogheda und hoffe, Luke nie mehr wiederzusehen.« Noch stand sie halb über die Wiege gebeugt. Dann drehte sie sich ganz herum. »Werden Sie und Luddie uns besuchen? Auf Drogheda

Weitere Kostenlose Bücher