Die Dornenvögel
du kommst. Auf der Welt gibt es nur zwei Orte, wo du mir vor Gott gehörst - hier auf Matlock und auf Drogheda.« Er nahm sie in die Arme, strich ihr über das glänzende Haar. »Meggie, ich wünsche von ganzem Herzen, ich könnte dich heiraten und müßte nie von dir getrennt sein. Ich möchte dich nicht verlassen ... Und in gewisser Weise werde ich nie wieder frei von dir sein. Ich wünschte, ich wäre nicht nach Matlock gekommen. Aber wir können das, was wir sind, nun einmal nicht ändern, und vielleicht ist es gut so. Ich weiß über mich jetzt so manches, wofür ich sonst blind gewesen wäre - oder wogegen ich mich blind gestellt hätte. Man wird leichter fertig mit dem, was man weiß, was einem bekannt ist. Das Ungekannte, Ungewußte hingegen bietet einem ja nirgends einen Punkt, wo man ansetzen könnte.« Er sah sie an. »Meggie, ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben. Vergiß das nicht.«
Am nächsten Tag kam Rob Walter zum ersten Mal, seit er Ralph gebracht hatte, wieder mit seinem Auto die Straße entlang. Geduldig wartete er, während das Paar voneinander Abschied nahm. Neuvermählte waren das mit Sicherheit nicht. Er war ja später gekommen und reiste nun vor ihr wieder ab. Vielleicht nur so ein Liebespaar? Nein, dazu wirkten sie viel zu verheiratet. Ihr Verhalten schien von langer Vertrautheit zu zeugen. Doch sie hatten einander wirklich gern, sehr gern sogar, das konnte man sehen. War genauso wie bei ihm und seiner Frau, ein großer Altersunterschied, was einer Ehe jedoch meistens sehr gut bekam. »Adieu, Meggie.«
»Adieu, Ralph. Paß gut auf dich auf.« »Das werde ich. Und du auf dich auch.«
Er beugte sich zu ihr, küßte sie. Für einen Augenblick vergaß sie ihren festen Vorsatz, jegliche Abschiedsszene zu meiden. Sie schlang die Arme um seinen Hals, klammerte sich geradezu an ihn an. Aber als er dann ihre Hände von seinem Nacken löste, verschränkte Meggie sie auf dem Rücken, eine krampfhafte Geste der Selbstbeherrschung.
Rob Walter hatte inzwischen gewendet. Ralph stieg ein, und als sie dann losfuhren, drehte er kein einziges Mal den Kopf, um zurückzublicken. So etwas können wohl nur wenige Männer, dachte Rob, der nie in seinem Leben von Orpheus gehört hatte. Schweigend fuhren sie durch den Regenwald und kamen dann zu jener Küstenseite, wo sich der weit hinausstrebende Landungssteg befand. Als sie sich die Hände schüttelten, musterte Rob den anderen sehr aufmerksam. Noch nie hatte er Augen gesehen, die so menschlich wirkten und so traurig. Jene Distanziertheit, ohne welche der Blick des Priesters Ralph de Bricassart gleichsam undenkbar schien, sie war jetzt verschwunden. Für immer.
Als Meggie nach »Himmelhoch« zurückkehrte, wußte Anne sofort: Sie würde sie verlieren, gar kein Zweifel. Ja, es war noch dieselbe Meggie, aber irgendwie war sie es sozusagen mehr als früher. Was immer auch Erzbischof de Bricassart gedacht haben mochte, bevor er nach Matlock fuhr, dort waren die Dinge dann zweifellos nicht seinen, sondern Meggies Weg gegangen. War aber auch wirklich Zeit gewesen.
Meggie hob Justine aus der Wiege und hielt sie dann so, als begreife sie erst jetzt, was es bedeutete, dieses Kind zu haben. Das Kleine sacht in ihren Armen wiegend, blickte sie zu Anne, und ihre Augen waren so erfüllt von Leben und von Gefühl, daß Anne spürte, wie es in ihrer Kehle aufstieg. Sie schluckte hastig. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Anne.« »Ach was, wofür denn?«
»Dafür, daß Sie Ralph zu mir nach Matlock schickten. Sicher war Ihnen von vornherein klar, was es bedeuten würde - daß ich Luke und damit auch Dungloe und >Himmelhoch< verlasse. Um so größer ist mein Dank, liebe Anne. Oh, Sie können sich einfach nicht vorstellen, wie wichtig das für mich gewesen ist! Ich hatte mich schon entschlossen, bei Luke zu bleiben, wissen Sie. Aber jetzt kehre ich nach Drogheda zurück, endgültig.«
»Es wird mir sehr schwerfallen, auf Sie und vor allem auch auf Justine zu verzichten. Doch ich freue mich für euch beide, Meggie. Von Luke haben Sie nie etwas anderes zu erwarten, als daß er Sie unglücklich macht.« »Wissen Sie, wo er ist?«
»Von den CSR zurück. Er schneidet jetzt in der Nähe von Ingham.« »Ich muß zu ihm, um alles zu regeln. Und sosehr es mir auch zuwider ist, ich muß mit ihm schlafen.« »Was?«
Ihre Augen glänzten. »Es ist schon seit zwei Wochen überfällig, und sonst kommt es bei mir keinen einzigen Tag zu spät. Das
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