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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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blies. Sonderbar, daß ihr das erst jetzt auffiel. Wo war ihr Bademantel? »Es überhaupt nicht in die Praxis umsetzen«, sagte sie dumpf, und es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ja, ganz recht. Ich möchte es nicht tun, nie. Nicht, daß ich mir keine Gedanken darüber gemacht habe, wie es wäre, Frau und Kinder zu haben. Ich habe darüber nachgedacht. Aber ich kann es nicht. In mir ist einfach nicht genügend Platz für die Liebe zu ihnen und zugleich für die Liebe zu Gott - nicht, wenn man Gott so liebt, wie ich ihn lieben möchte. Ich weiß das schon seit langem. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, daß es einmal eine Zeit gegeben hat, in der mir das nicht klargewesen wäre. Und je älter ich werde, desto größer wird meine Liebe zu Gott. Es ist ein großes Mysterium, Gott zu lieben.« Sie bückte in seine stillen, wie entrückten Augen, die Ralphs Augen so sehr glichen und in denen dennoch etwas war, etwas gleichsam Brennendes, das sie bei Ralph nie wahrgenommen hatte. Konnte es sein, daß sich so etwas nur bei einem so jungen Menschen wie Dane fand? Daß es sich dann später verlor? Als sie, damals ja noch ein kleines Mädchen, Ralph kennengelernt hatte, war er immerhin bereits Ende zwanzig gewesen, rund zehn Jahre älter als Dane jetzt. Aber ihr Sohn war ein Mystiker, das wußte sie seit jeher. Und Ralph?
    Nein, es schien kaum wahrscheinlich, daß er je in seinem Leben dazu geneigt hatte.
    Sie schluckte hart, hüllte sich enger in ihren Bademantel. »Und so habe ich mich gefragt«, fuhr Dane fort, »was ich tun könnte, um Gott zu zeigen, wie sehr ich ihn liebe. Lange habe ich mich gegen die Antwort gesträubt. Ich wollte sie nicht. Denn in mir war auch sehr stark der Wunsch, als Mann zu leben. Doch ich wußte, daß es unausweichlich war, ja, ich wußte es. Es gibt nur eines, das ich ihm als Opfer anbieten kann, um ihm zu beweisen, daß in meinem Herzen nie etwas vor ihm sein wird. Und dieses Opfer muß ich ihm darbringen, das verlangt er von mir. Einzig so kann ich ihm zeigen, daß ich ihn liebe und sein Diener bin, der neben ihm keine anderen Götter oder Götzen kennt. Ich habe wählen müssen. Alles werde ich genießen, an allem werde ich meine Freude haben dürfen, nur daran nicht.« Er seufzte und zupfte einen Grashalm aus. »Ich muß ihm zeigen, daß ich verstehe, warum er mir bei meiner Geburt soviel in die Wiege gelegt hat. Ich muß ihm zeigen, daß ich begreife, wie unwichtig mein Leben als Mann ist.«
    »Das kannst du nicht, das lasse ich nicht zu!« rief Meggie und griff nach seinem Arm. Die Haut, so glatt. Genau wie bei Ralph! Und auch die darunter spürbar werdende Kraft. Genau wie bei Ralph! Und nie sollte ein Mädchen, eine Frau diese Kraft und diese Zartheit spüren dürfen?
    »Ich werde Priester werden«, sagte Dane. »Ich werde in seinen Dienst treten und die Heiligen Gelübde leisten. Der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams. Das verlangt er von seinen auserwählten Dienern. Es wird nicht leicht sein, aber ich werde es tun.« Der Ausdruck in ihren Augen! Als wäre er im Begriff, sie zu ermorden, ihr buchstäblich das Leben zu nehmen. Mit einer solchen Reaktion hatte er bei ihr nicht gerechnet, ganz im Gegenteil. Er war sicher gewesen, daß sie stolz darauf sein würde, wenn ihr Sohn ein Gottesdiener wurde.
    Statt dessen starrte sie ihn jetzt an, als habe er ihr das Todesurteil verkündet.
    »Aber es ist doch das einzige, was ich je habe werden wollen«, sagte er verzweifelt. »Oh, Mum, kannst du das denn nicht verstehen? Ich habe nie etwas anderes sein wollen als ein Priester! Ich kann nichts anderes sein als ein Priester!«
    Ihre Hand glitt von seinem Arm. Unwillkürlich blickte er auf die Stelle, wo ihre Finger ihn gehalten hatten. Halbrunde Monde waren als Spuren von ihren Fingernägeln geblieben.
    Doch jetzt bog sie den Kopf zurück und lachte - lachte und lachte, ein hysterisches Gelächter, bitter, höhnisch.
    »Oh, das ist zu gut, um wahr zu sein!« sagte sie keuchend, als sie endlich wieder sprechen konnte. Mit zitternder Hand wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Diese unfaßbare Ironie! Asche der Rosen, sagte er in der Nacht, als wir zum Artesischen Brunnen ritten. Und ich verstand nicht, was er meinte. Von Asche kommst du, zu Asche gehst du. Der Kirche gehörst du, der Kirche wirst du gegeben. Oh, es ist schön, wunderschön! Gott verrotte, sage ich! Ja, er verrotte! Er ist der schlimmste Feind der Frauen, ja, das ist er! Alles, was wir

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