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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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gekommen, doch im vergangenen Herbst war Luddie Müller dann gestorben, und Meggie hatte Anne sofort einen Brief geschrieben und sie eingeladen, ganz nach Drogheda zu kommen. An Raum fehle es wahrlich nicht, und falls sie aus Stolz nichts umsonst akzeptieren wolle, so könne sie ja bezahlen, obschon wirklich genügend Geld vorhanden sei, um viele Dutzend Dauergäste zu beherbergen und zu bewirten.
    Für Meggie war es eine Gelegenheit, Anne ihren Dank für die Jahre in Dungloe abzustatten, und für Anne erwies es sich als eine Art Rettung. Ohne Luddie fühlte sie sich auf »Himmelhoch« grauenvoll einsam. Verkauft hatte sie den Besitz dann allerdings nicht. Ein Verwalter kümmerte sich um alles, und nach Annes Tod sollte Justine »Himmelhoch« erben. »Was ist, Meggie?« fragte Anne.
    Meggie setzte sich. »Mich - mich hat eine Art Racheblitz getroffen.« »Was!?«
    »Ihr habt recht gehabt, beide. Ihr habt gesagt, ich würde ihn verlieren. Ich wollte euch nicht glauben. Ich meinte, ich könnte Gott ein Schnippchen schlagen. Aber es hat noch nie eine Frau gegeben, die imstande gewesen wäre, Gott zu besiegen. Er ist ein Mann.« Fee schenkte Meggie eine Tasse Tee ein. »Hier, trink erst einmal«, sagte sie, und es klang, als biete sie Meggie einen stärkenden Schluck Brandy an. »Wie hast du ihn verloren?«
    »Er wird Priester werden.« Sie begann zu lachen, doch in das Lachen mischte sich Schluchzen.
    Anne nahm ihre Krücken, stützte sich hoch. Dann bewegte sie sich mühsam zu Meggies Sessel, setzte sich auf die Armlehne und strich sacht über das schöne rotgoldene Haar. »Oh, mein Liebes! Aber so schlimm ist das doch nun auch wieder nicht.« Fee blickte zu Anne. »Weißt du über Dane ...?« begann sie. »Ich habe es immer gewußt, von Beginn an.«
    Meggie unterdrückte das Schluchzen. »So schlimm ist das gar nicht, meinst du? Ja, begreifst du denn nicht, daß dies der Anfang vom Ende ist? Die Strafe, die Sühne. Ich habe Gott bestohlen, damals, als ich mit Ralph zusammen war. Und dafür muß ich jetzt mit meinem Sohn bezahlen. Du hast mir das auch gesagt, Mum, erinnerst du dich noch? Du hast gesagt, ich hätte gestohlen. Ich wollte dir nicht glauben. Aber du hattest recht, wie stets.«
    »Wird er aufs Saint Patrick’s College gehen?« fragte Fee mit ihrem Sinn fürs Praktische.
    Meggie lachte, und aus ihrem Lachen klang jetzt ein Hauch echter Belustigung. »Nein, Mum. Und das ist für mich ein wenig ausgleichende Gerechtigkeit, wenn man so will: Ich schicke ihn natürlich zu Ralph.« Sie zuckte mit den Achseln. »Nun ja, solche Gedanken sind töricht - ausgleichende Gerechtigkeit. Es war mir klar, daß Dane nur zu gern nach Rom gehen würde, und so ergibt sich das praktisch von selbst.«
    »Hast du es Ralph eigentlich je gesagt?« fragte Anne.
    »Nein, und das werde ich auch nie tun. Niemals!«
    »Sie sind einander so ähnlich, daß er von selbst darauf kommen könnte.«
    »Wer, Ralph? Der wird nie auch nur etwas ahnen! Und jedenfalls schicke ich ihm meinen Sohn und nicht seinen Sohn.«
    »Hüte dich vor dem Neid der Götter, Meggie«, sagte Anne leise. »Es könnte sein, daß sie mit dir noch nicht fertig sind.«
    »Was sonst könnten sie mir noch antun?« fragte Meggie klagend.
    Als Justine von Danes Entschluß hörte, war sie wütend, obwohl sie insgeheim schon seit drei oder vier Jahren damit rechnete. Was für Meggie wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam, war für Justine so etwas wie der erwartete eiskalte Guß.
    Da zwischen den Geschwistern ein so enges Vertrauensverhältnis bestand und beide zudem zur selben Zeit in Sydney auf der Schule gewesen waren, hatte es nicht ausbleiben können, daß Justine sehr genau wußte, wieviel Dane die Religion bedeutete: nicht allein Gott, sondern auch der mystische Sinn der katholischen Rituale. Wäre er protestantisch erzogen worden, dachte sie oft, so hätte er zweifellos zum Katholizismus übergewechselt, um - um ein Irgendetwas in seiner Seele zu befriedigen. Ein strenger, kalvinistischer Gott, nein, das wäre nichts für ihn. Sein Gott war abgebildet auf Glasscheiben, umwölkt von Weihrauch, umhüllt von goldgewirkten, spitzenverzierten Gewändern; und der Lobpreisung dieses Gottes galt alle musikalische Vielfalt, galten alle Gregorianischen Gesänge. War es nicht eine geradezu perverse Ironie, daß jemand, der mit so außergewöhnlichen körperlichen Vorzügen ausgestattet war, eben das zutiefst bedauerte, ja beklagte? Genau das tat Dane. Jede Bemerkung über sein

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